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Pommersche Kunstgeschichte.
lieh diese ganze Darstellungsweise nur um so mehr begründe? Hiezu
kommt auch noch der Umstand, dass wenigstens sehr häufig. die der
Sculptur angehörigen Compositionen schon an sich in einer geWiSSen ma-
lerischen Weise, in einer zumeist reicheren Ausfüllung des Raumes, gehal-
ten sind, ein Umstand, der wiederum das Hinzutreten der farbigen Unter-
scheidungen rechtfertigt, wie er seine eigene Rechtfertigung in der Ueber-
einstimmung mit dem Ganzen findet. Dass, beiläufig bemerkt, nicht alle
Werke solcher Art auf einen höheren künstlerischen Eindruck hinarbeitellt
dass bei manchen von ihnen die Färbung und Vergoldung zur Spielerei
wird, dass vollendete Meisterwerke nur selten sind, liegt in der Natur der
Sache und ist in andern Kunstgattungen ebenso der Fall 1). Die in
Rede stehenden Schnitzwerke Pommerns gehören grösseren Theils dem
fünfzehnten Jahrhundert an; nicht viele scheinen im vierzehnten, auch wohl
nur wenige im sechzehnten Jahrhundert gefertigt zu sein. Die kirchliche
Reformation bezeichnet für sie, sofern sie für den Schmuck der Altäre an-
gewandt sind, den Schluss. Die bei weitem interessanteren und vollende-
teren Theile an diesen Altarwerken sind übrigens durchweg die eigentlichen
Schnitzarbeiten; die selbständigen Malereien (auf den Flügeln) stehen zu
den letzteren zumeist in einem sehr untergeordneten Verhältniss, so dass
man hier nicht etwa, wie es in andern Gegenden der Fall gewesen zu sein
scheint, die Bildschnitzer als Gehülfen oder Gesellen der Maler, sondern
umgekehrt, sie als die eigentlichen Werkmeister und die Maler als abhän-
gig von ihnen betrachten muss.
Geschnitztes
Kircbengeräth.
Ehe wir uns nunmehr zu den figürlichen Darstellungen und zu den
grösseren Cornpositionen dieses Kunstzweiges wenden, sind vorerst diejeni-
gen Arbeiten zu betrachten, die für minder freie Kunstzwecke gefertigt
sind. und an denen das Ornamentistisehe überwiegend ist, Gesiühle,
Gitterwerk u. dgl. Die Gegenstände dieser Art sind mehr oder weniger
reich, in strengeren architektonischen Formen oder in solchen, die dem
freien Spiele der Phantasie angehören, gebildet, zum Theil auch mit ge-
messenen figürlichen Darstellungen (doch ohne erheblichen Kunstwerth)
geschmückt. Dahin gehört zunächst das Gitterwerk, welches den Chor der
Nikolaikircke zu Stralsund von dem umherlaufenden Umgange trennt.
Dies ist oberwärts mit einem Relieffriese und mit frei emporstehenden Blu-
men eines reichen spätgothischen Styles geschmückt. In dem Friese sieht
man mannigfache kleine Darstellungen, deren ziemlich rohe Arbeit den
Styl des vierzehnten Jahrhunderts trägt: zunächst, auf der Südseite sind
es allerlei Scenen der Liebe und des Streites, mit lkaufelsgestalten zu den
Seiten der einzelnen Gruppen; dann folgt die Passionsgeschichte Christi,
auf diese die Geschichte der Maria bis zur Darstellung im Tempel; auf
1) Ueber die, im Allgemeinen noch wenig gewürdigte Kunst der deutschen
Bildschnitzerei ist besonders zu vergleichen: Schorn, „Zur Geschichte der Bild-
svhnitzerei in Deutschland," Kunstblatt, 1836, N0. 1 Hi; Derselbe, Ueber alt-
deutsche Sculptur mit besondrer Rücksicht auf die in Erfurt vorhandenen Bild-
werke," (S. 16); und NVäch, "Bemerkungen über Holz-Seulptur mit farbiger
Anmalung," Kunstblatt, 1833, N0. 2, f,