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Pommersche Kunstgeschichte.
dem Kinde gefertigt, leider etwas beschädigt, gegenwärtig Zoll hoch.
Die Arbeit ist tüchtig. wenn auch ohne eigentlich tieferes Kunstgefühl, im
Styl der Holzschnitte aus dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts.
Rücksichtlich der seltenen Anwendung des Bernsteins in dieser Periode für
bildnerische Zwecke. dürfte die kleine Figur besondere Beachtung ver-
dienen.
Einige der Gegenstände, die im Archive des Camniiner Domes be-
wahrt werden, haben ein geringeres Interesse für die Geschichte derKunst,
wenn sie auch, in anderer Beziehung, als nicht uninteressante Denkmale
der mittelalterlichen Kultur zu betrachten sind. Dies sind mancherlei einst
hochverehrte Reliquien: das (gegen sechs Fuss hohe) Hemde, das Hand-
tuch, das Sticktuch und ein Pantoffel der Jungfrau Maria, die Peitsche, die
Christus bei seinem Einzuge in Jerusalem führte, die Trommel, mit welcher
die Juden durch das rothe Meer zogen, u. s. w. Doch sind manche dieser
Stücke auch für das Handwerk früherer Zeit nicht ganz unwichtig. So ist
z. B. das angebliche Handtuch der Jungfrau Maria mit roher damastartiger
Stickerei, Wappenarller, Greifen, andere Thiere, auch menschliche Figuren
darstellend, versehen, deren Styl etwa dem zwölften Jahrhundert angehört;
so ist der Pantoffel aus einem gewirkten Teppichstücke von vorzüglich
schönem Muster, der späteren Zeit des Mittelalters angehörig, geschnitten.
Nicht minder interessantes Kirchengeräth findet sich an einigen an-
deren Stellen des Camminer Domes. Im Chore desselben wird ein be-
trächtlich grosser, höchst merkwürdiger Reliquienkasten aufbewahrt. Er ist
in der Hauptform (oval, 1 Fuss 9 Zoll lang, 13 Zoll breit und gegen 11 Zoll
hoch, zusammengesetzt aus 22 grösseren und kleineren Elfenbeinplatten, die
durch vergoldete kupferne Beschläge zusammengehalten werden. Auf den
Elfenbeinplatten sieht man allerhand phantastische Thiergestalten und Ran-
kenwindungen, mit mehr oder minder vertieften Umrissen eingeschnitten,
in einem seltsam herben und bizarren Style, der indess überall mit grosser
Consequenz durchgebildet ist Auf den Beschlägen sind gravirte Zier-
raten enthalten; überall, wo die Beschläge oberwärts zusammenstossen,
springen aus ihnen Thier- und Vogelköpfe frei hervor; die letzteren sind
wiederum sehr streng. aber auch sehr tüchtig gearbeitet. Die Zeit (und
noch mehr das Lokal), der diese sonderbare Arbeit angehören dürfte, ist
sehr schwer zu bestimmen; man dürfte auf das elfte oder zwölfte Jahrhun-
dert rathen können, doch ist mir das letztere, gewisser Eigenthümlichkeiten
wegen, wahrscheinlicher.
In einem Schrank des Chores finden sich ferner einigegoldstoffene
Messgewänder, die in vortrefflich leichten Mustern, im Style des späteren
Mittelalters, gewirkt sind. Auch werden im Chor ein Paar messingene
Taufbecken aufbewahrt, von denen das eine die Darstellung der Verkün-
digung Mariä, das andre die des Sündenfalls, in getriebener oder geprägter
Arbeit, enthält. Es sind dies jedoch nur ganz rohe Handwerksarbeiten,
etwa des sechzehnten Jahrhunderts, wie sie häufig (auch in Pommern) ge-
funden werden.
Endlich sind noch die in der Sakristei aufbewahrten silbernen und
zum Theil vergoldeten Altargeräthe zu nennen. die noch für die heutigen
U Der Styl ist fast ähnlich, doch noch bizarrer, wie an den Zierden einen
Reliquienkastens und eines Jagdhornes in der Berliner Kunstkammer, die ich
in meinar Beschreibung, S. 12 u. 13 (no. 11, a. u. b.) näher charaktarisirt habe.