Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Kunstgeschichte. 
Pommersche 
Belege für eine pommersche Kunstgeschichte gelten; doch bezeichnen sie 
wenigstens das früh vorhandene Bedürfniss nach künstlerischer Form und 
bieten überhaupt so mannigfach interessante Eigenthümlichkciten dar, dass 
eine nähere Schilderung auf keine Weise zu vernachlässigen ist. 
Der grösste Theil dieser Geräthe wird im Archive des Domes aufbe- 
wahrt; die Mehrzahl diente als Behälter für Reliquien. Die ältesten Stücke 
sind nach meiner Ansicht vier Ilolzplatten, je zwei und zwei von gleicher 
Grösse; vermuthlich bildeten sie die Seiten eines Reliquienkastens. Sie sind 
mit kleinen Elfenbeinplättchen besetzt, die mit Kreisen, Kreuzen und ähn- 
lichen Figuren gravirt oder durchbrochen sind. Die Art und Weise, in der 
diese ziemlich rohen Verzierungen gearbeitet und zusammengesetzt sind, 
scheint mir den ähnlichen Arbeiten der karolingischen und nächstfolgenden 
Periode zu entsprechen, so dass sie nicht füglich in eine spätere Zeit als 
in die des zehnten Jahrhunderts zu setzen sein dürften. 
Sodann sind einige kupferne Geräthe, zumeist der Zeit des ztvölften 
Jahrhunderts angehörig, zu nennen. Unter diesen zeichnen sich besonders 
mehrere Platten aus, welche die Reste zweier kleinen Reliquienkasten,  
beide ursprünglich aus sechs Platten in kapellenartiger Form zusammen- 
gesetzt,  bilden. Die Platten sind mit vergoldeten figürlichen Darstel- 
lungen, deren Umrisslinien gravirt und deren Köpfe reliefartig erhöht sind, 
geschmückt; der Grund neben diesen Darstellungen ist mit blauer, grüner 
und weisser Emailfarbe bedeckt. Der Styl der Zeichnung ist der des zwölf- 
ten Jahrhunderts, sehr streng, aber auch sehr tüchtig, in einzelnen Motiven 
sich einer schönen und edeln Linienführung bereits glücklich annähernd; 
dies ist namentlich der Fall bei den Apostelfiguren, welche auf den Gie- 
belseiten des am besten erhaltenen Kastens dargestellt sind.  Gleichzeitig 
ist sodann der kupferne Fuss irgend eines Geräthes (etwa einer Monstranz), 
der mit ähnlich vergoldeten und emaillirten, doch minder tüchtigen Dar- 
stellungen geschmückt ist.  Ebenso ein kupfernes Räuchergetäss, aus einer 
Schale und Handhabe bestehend, ähnlich verziert, aber ebenfalls von etwas 
roherer Arbeit. Gefässe, wie dies, dürften übrigens selten sein; mir we- 
nigstens ist bis jetzt kein zweites der Art vorgekommen   Aus vergu]- 
detem Kupfer ist ferner gebildet die Christusligur eines Crucitixes (an der 
nur der eine Arm und die Plattfüsse fehlen). Sie ist sehr streng und selt- 
sam stylisirt, ich möchte sagen, wie ein Götzenbild einer barbarischen 
Nation, ohne lebendigen Knnstsinn. Scheinbar gehört auch sie noch dem 
früheren Mittelalter an; doch haben die feingravirten Ornamente, welche 
den Schurz der Figur schmücken, bereits Aehnlichkeit mit den gemalten 
Bücherzierden des vierzehnten Jahrhunderts.  Aus Kupfer besteht end- 
lich noch eine Platte in sechsblättriger Rosettenform, wahrscheinlich ein 
Monile, ein priesterlicher Halssehmuck, der zum Festhalten des Messgewan- 
des diente. Sie war ursprünglich ganz vergoldet und enthält die gravirte 
Darstellung einerMadonna mit dem Kinde. Diese Darstellung ist von 
mittlerem Kunstwerthc; sie hat den Charakter der Holzschnitte aus der 
Zeit um das Jahr 1500. 
4) Vgl. über die Kupfergeräthe mit vergoldeten und emaillirten Zierden jener 
frühen Zeit meine "Beschreibung der in der Königl, Kunstkammer zu Berlin 
befindlichen Kunstsammlung," S. 15, ff.  Die oben genannten Reste der beiden 
lteliquienkasten sind übrigens von schönerer Arbeit, als die, ihnen entsprechen- 
den Geräthe in der Berliner Kunstkammer. 
	        
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