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Pommersche
Kunstgeschichte.
bunter Giebel, fast etwa den Giebeln jener Stargarder Gebäude vergleich-
löafi geschmückt sieht 1). Gegenwärtig erscheint das Aeussere dieses Flügels
in den Formen neuerer Zeit, und auch sein Inneres ist grösseren Theils
umgewandelt; doch blicken mehrfach, besonders in dem Treppenthurme,
der an diesem Flügel vorspringt, die älteren Bautheile durch, und nament-
lich ist das gesammte Innere des Erdgeschosses in seiner ursprünglichen
Anlage erhalten. Hier sieht man zuvörderst, im westlichen Theile des
Flügels, einige mit flachem Sterngewvölbe überspannte Räume. Dann folgt,
den grösseren Theil des ganzen Gebäudes ausfüllend, ein grosser langer
Saal, dessen Decke durch fünf hölzerne Säulen, welche durch die Mitte
des Saales hinlaufen, getragen wird. Die Säulen sind einfach und auch
nur mit schlichten Kapitälen versehen, aber das Balkenwerk der Decke ist
auf's Reichste und Geschmackvollste im spät mittelalterlichen Stylc ausge-
schnitzt und giebt das zierlichste Beispiel jenes ausgebildeten Holzbaues,
den wir am Aeusseren der l-läuser fast gänzlich vermissten. Ein mächtiger,
mannigfaeh ausgekehltcr und geschnitzter Unterzugbalken läuft über den
Säulen hin und in ihn setzen die in ähnlicher Weise gebildeten Querbalken,
ihrer dreissig an der Zahl, ein; wo die Balken über den Säulen zusammen-
stossen, bildet sich ein brillantes Consolenwerk. Die südliche Wand des
Saales hat sechs grosse, im Flachbogen überwölbte Fenster, die nördliche
Wand meist ähnlich geformte Nischen. Die Höhe des Saales ist verhältniss-
mässig nicht bedeutend, was aber ganz dem Charakter jener Zeit, die höhere
Räume nur in den Kirchen liebt, gemäss ist. Der prächtige Eindruck, den
die Decke des Saales hervorbringt. lässt übrigens mit Bestimmtheit anneh-
men, dass derselbe eine besonders ausgezeichnete Bestimmung hatte; ohne
Zweifel bewegten sich hier die glänzenden Hoffeste, welche das Leben des
glänzendsten fürstlichen Helden, den die pommersche Geschichte kennt,
schmückten. Leider dient gegenwärtig der Saal, an welchen sich für Pom-
mern so theure Erinnerungen knüpfen, zur Aufbewahrung von Kanonen 2).
Nur um wenige Jahrzehnte jünger ist der, an den vorigen anstossende
östliche Flügel des Schlosses. An ihm beündet" sich ein grosses Steinrelief,
das pommersche WVappen von zwei wildenühliinnern gehalten darstellend,
mit der Unterschrift: „Barnirn D. G. eins nois BQguslaiX. iilius. Stettin.
Po. Cas. Wan. Dux. Rugeo. Prin. Cum. (iusco. 1538." Dies nun ist eben
der Theil des Schlosses, von dem oben, als das frühe Auftreten des italie-
nischen Baustyles bezeugend, gesprochen wurde; denn seine äussere Archi-
1) So auf einem Kupferstich in der „Beschreibung der Stadt und Festung
Alten Stettin in Pommern, Danzig 1678." Uebrigens ist es in Frage zu stel-
len, ob die Giebelarchitekturen auf dieser Ansicht (an denen man eben nur das
Allgemeine der Anordnung erkennen kann) wirklich von dem durch Bogislav X.
aufgeführten Bau hergerührt haben. Wenigstens berichtet Friedeborn, II, S. 109,
dass derselbe im J. 1557 abgebrannt sei. Diese Nachricht scheint aber nur auf
die oberen Theile, etwa das Dachwerk u. dergL. bezogen werden zu müssen, da
sich theils mehrfach, wie im Obigen weiter angedeutet ist, in dem Gebäude die
Spurengothischer Bauformen zeigen, theils das gesammte Innere des Erdgeschos-
ses noch das Gepräge der früheren Zeit des sechzehnten Jahrhundertsßragt
und sich vollkommen von den Formen der im italienischen Style aufgeführten
Schlosstheile unterscheidet. 2] (Nachträglich bemerke ich, dass der obenge-
nannte Saal mit seinem brillanten Balkenwerk doch vielleicht der zweiten Hälfte
des sechzehnten Jahrhunderts angehört. Es ist darin, neben den mittelalterlichen
Reminiscenzen, doch bereits ein entschieden modernes Element.)