Ausserkirclnliche Architektur.
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äusserer Seite eine hohe, im Halbkreisbogen geführte Nische übe, dem
Thnre hin, was wiederum auf eine ziemlich späte Zeit sehiiessen iässn
Bei vielen Thoren, wie z. B. bei denen von Wolgast, sind endiicn die
Thürme in ihrer Dekoration modernisirt worden.
Manclierlei ist sodann über die künstlerische Dekoration der Fagaden
an Rathhäusern und Wohngebäuden in Städten und Schlössern zu hegen-
ten. Das Bemerkenswerthe indess, was an Bauwerken dieser Art noch ein
mittelalterliches Gepräge trägt, gehört der spätesten Zeit des Mittelalters,
dem funfzehnten und sechzehnten Jahrhundert, an; es ist nicht ganz nn_
wahrscheinlich (obgleich die verhältnissmässig geringe Anzahl des Vorhnn_
denen die Entscheidung unmöglich macht), dass man sich bis dahin im
Allgemeinen mit einfacheren Formen für die Gebäude des werkeltäglichen
Verkehfes begnügt hatte, und dass erst mit der höchsten Blüthe der städti-
schen Macht auch diese Weise des Luxus mehr hervortrat.
An den Häusern ist die Einrichtung des hohen, der Strasse zugewand-
ten Giebels charakteristisch. Schmale und nicht sehr vorspringende Stre-
ben, gewöhnlich mehrfach gegliedert, laufen in der Regel zwischen den
Fenstern empor und erheben sich als _freie Thiirmchen über der Dach-
schräge; letztere erscheint aber insgeinein nicht in ihrer einfachen Linie.
sondern entweder steigen, zwischen den Thürmchen, kleinere Giebel über-
einander frei empor oder es bilden sich statt deren gerade Absätze, so
dass das Ganze stufenförmig emporsteigt. In solcher Weise, mit kleineren
Giebeln geschmückt, erscheint z. B. die Facade des Rathhauscs zu Grimme;
hier sind die Strebethürmchen aus Rundstäben zusammengesezt. Aehnlich
auch die Facade des Rathhaiises zu An clam. Bei der des Rathhauses Zn
Lauenburg sind zu den Seiten stärkere achteckige Strebethürmchen nn-
geordnet, die Absätze erheben sich stufenförmig und die Fenster haben
hier zum Theil die Form des späten geschweiften Spitzbogens. In dieser
Art sieht man auch viele Wohnhäuser, zu Anclarn, Stralsund, Greifswald,
u. a. a. O. Als die zierliclisten Beispiele mittelalterlicher Hausfacaden
sind besonders drei Häuser zu nennen, welche an der Ostseite des grossen
Marktes zu Greifswald nebeneinander stehen. Das erste von diesen, zur
Linken, hat eine besonders reiche Dekoration. Der Giebel steigt hier
stufenformig empor; die Strebethürmehen sind mit bunten Nischen und
Rosettenwerk geschmückt; die Fenster haben mannigfach durchbrochene
Bogenzierden, und aus den Spitzbögen, die ihre Ueberwölbung umfassen,
springen gereihte Blätter hervor; die ganze Behandlung ebenso, wie die
Ausbildung des Details entspricht hier vollständig der Verzierungsweise,
die wir an den, dem fünfzehnten Jahrhundert angehörigen kirchlichen
Bauten wahrgenommen haben. Das zweite Hans ist einfacher; die Giebel-
schräge ist hier nicht beobachtet, sondern die Facade in gerader Masse
emporgeführt und mit einer horizontalen Zinnenreihe gekrönt; hohe Fenster-
blenden, die durch die Bodengeschosse emporlaufen und die kleinen Fenster-
Oeifnungen in sich einschliessen, geben dem Ganzen einen ernsteren Cha-
rakter. Bei dem dritten Hause zeigt" sich am Giebel die gerade Linie des
Daches, die nur durch die Strebethürmchen unterbrochen wird, doch scheint
diese Einrichtung hier nicht ursprünglich; die Fenster sind dreitheilig, in-
dem je drei kleine gebrochene Spitzbögen, von zwei Säulchen gestützt,
durch grössere Spitzbögen umfasst werden. Die Form der gebrochenen
Spitzbögen dürfte aber auch hier wiederum auf das funfzehnte Jahrhun-
dert deuten.
liugler, Kleine Schriften l. 49