Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Pommersche 
Kunstgeschichte. 
bemerkt, der obere Theil des Mauerwerkes beschädigt und so widerwärtig 
(durch rohes Fachwerk) ergänzt und mit einem so entstellenden Dache ver- 
sehen, dass diese barbarische Restauration in der That zur Verunzierung 
der ganzen Stadt dient.  
Die Marienkirche zu Stargard hat ein hohes Mittelschiff mit nie- 
drigeren Seitenschitfen, die sich als Umgang um den dreiseitig geschlossenem 
Chor herumziehen; zwei Thürme steigen auf der Westseite vor den beiden 
Seitenschitfen empor. Die Maasse des Gebäudes sind, wie bereits angedeutet. 
wiederum sehr colossal; aber die inneren Verhältnisse stehen hier in treli- 
lichem Einklange zu einander. Das Mittelschid, das kühn und frei empor- 
steigt, wird durch die Seitenschiffe, die an sich zwar ebenfalls hoch, aber 
jenem auf angemessene YVeise untergeordnet sind, harmonisch begrenzt und 
getragen, so dass der Geist des Beschauers, der mit diesen Räumen empor- 
steigt, sich von aller Beklemmung frei fühlt und den Eindruck ruhiger 
Majestät in sich aufnehmen kann. Erhöht wird dieser Eindruck freilich 
durch die in neuerer Zeit erfolgte Restauration der Kirche, wobei Alles. 
was von störenden Einbauten etwa vorhanden sein mochte, hinweggethan 
ist. Jene Harmonie der Verhältnisse ist 11m S0 mehr Zll bewundern, als 
das Gebäude keinesweges in Einem Gusse emporgefühft ist, Snndern wesent- 
liche Theile desselben einer älteren Anlage aus der Zeit des vierzehnten 
Jahrhunderts angehören. Die Räume des Schiffes scheiden sich nämlich 
von denen des Chores durch ein starkes Pfeilerpaar; der Chor besteht dann 
aus acht Pfeilern (mit Einschluss der an den Seiten des Chorschlusses); 
im Schiff sind aufjeder Seite drei Pfeiler angeordnet. Diese Pfeilerstellungen 
des Schiffes nun müssen als die Reste eines älteren Baues betrachtet wer- 
den. "Die Pfeiler haben hier eine einfach achteckige Gestalt, aber mit Gurt- 
trägern auf ihren vier Hauptseiten, die (wie oben. S. 710, N0. 85.) aus 
einem Bündel von je drei Halbsäulen bestehen. Oberwärts über den Pfei- 
lern sind diese Gurtträger nicht fortgesetzt. (Dass sie gegenwärtig überall 
nur noch am oberen Drittel der Pfeiler gefunden und von modernen Con- 
solen getragen werden, ist ohne Zweifel ein Ergebniss der neueren Restau- 
ration.) Die Schwibbögen über den Pfeilern des Schiffes (in ihrer gegen- 
wärtigen Erscheinung fast gar nicht gegliedert) treten gegen die oberen 
Wände des Mittelraumes etwas vor, und bilden dort einen Falz, dessen 
Bestimmung lediglich nur die sein konnte, den Kappen eines Gewölbes zur 
Unterlage zu dienen, wie es in der That noch gegen die Seitenschitfe hin 
der Fall ist. Dies und das Vorhandensein jener nicht weiter emporgeführ- 
ten Gurtträger deutet aber bestimmt darauf hin, dass das Mittelschiff in 
diesem Theile des Gebäudes ursprünglich gleiche Höhe mit den Seiten- 
schiifen hatte und dass die oberen Wände des Mittelsehitfes erst in späterer 
Zeit emporgeführt sind. Die Form der Fenster in diesen Oberwänden, 
welche wiederum (wie in der Marienkirche zu Stralsund) den unschönen 
eckigen Uebergang aus der Vertikal-Linie in den Bogen haben, ist als einer 
der Beweise zu betrachten, dass die Vergrösserung und Erweiterung der in 
Rede stehenden Kirche dem fünfzehnten Jahrhundert angehört. Die Seiten- 
schiffe, soweit sie den ebengenannten Pfeilerstellungen corresponrliren, schei- 
nen übrigens auch noch einen Theil der alten Bauanlage zu bilden; wenig- 
stens ünden sich an ihnen Gurtträger, die den an den Pfeilern vorkommenden 
gleich sind. An ihren Wänden treten zwischen den Strebepfeilern, doch 
nur in deren halber Höhe, kleine Kapellen hinaus.  Die Anlage des Chores, 
der in der späteren Höhe des Mittelschifies fortgeführt ist, muss ganz als
	        
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