Architektur.
zho
Kirchlü
Gothischer
Styl
des
Jahrhunderts.
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Gothischer
Styl
des
funfzehntcn
Jahrhunderts.
Das funfzehnte Jahrhundert bezeichnet die höchste Kraftentwickelung
der pommerschen Städte. Fast unabhängig von landesherrlicher Gewau
standen die bedeutenderen unter ihnen da, den Unternehmungen der Für-
sten oft mit siegreichem Nachdrucke trotzend. Fürstliche Macht war in
den Händen der Oberhäupter der Städte, fürstlicher Reichthum in den Häu-
sern der betricbsamen Handelsherren. Aber die ungebändigte Freiheitslust
steigerte sich zu kecker Willkür, die Freude am Besitz zu freventlichem
Uebermuthe, und die rächende Nemesis blieb nicht aus.
Die bedeutenderen Architekturen dieser Zeit stimmen mit solcher Sin-
nesrichtung wiederum entschieden überein. Der klare, harmonische Orga-
nismus, der von innen heraus Form aus Formen entstehen lässt und das
Ganze mit innerer Nothwendigkeit zu einem Vollendeten einem völlig
(wendeten macht, war schon in der späteren Zeit des vierzehnten Jahr-
hunderts immer mehr verschwunden und die nüchterne Schulregel an des-
sen Stelle getreten; entschiedene Wirkung hatte man mehr in der Colossa-
lität der Dimensionen als in lebenvoller Gliederung der Theile gesucht.
Noch mehr strebte man jetzt, durch die Wirkung der Masse zu imponiren,
selbst dadurch, dass man vorhandene, zum Theil schon an sich nicht un-
bedeutende Bananlagen mächtig vergrösserte. Die Erweiterungen der Ma-
rienkirche zu Colberg und die der Jakobikirche zu Stettin, die in die spä-
t.ere Zeit des vierzehnten und in das funfzehnte Jahrhundert gehören, geben
dafür besonders charakteristische Beispiele. Doch blieb man bei dieser
blossen Ausdehnung der Masse nicht stehen. War das Gefühl für den
lebendigeren Organismus des Inneren, somit der eigentliche architektonische
Kunstsinn erloschen, so war doch immer noch genug allgemeine künst-
lcrische Laune übrig geblieben, die durch roh emporgethürmte Steinmassen
nicht eben befriedigt werden konnte. Sie wandte sich jetzt dem Aeusseren
der Gebäude zu und suchte dasselbe theils durch malerische Gruppirung
der Theile, theils durch die Anwendung reicheren Schmuckes lebendig und
heiter zu gestalten. Man kann wohl sagen, dass die Architektur dieser
Zeit in ihrem Wesen zu einer Architektur des Aeusseren wird; ihr vor-
nehmlich gehört die mannigfache Benutzung jener phantastisch gebildeten
giasirten Formsteine an, die unsern Kirchen zuweilen ein so zierliches
(irepräge giebt. Aber es ist zugleich auch, was ihr eigentliches Wesen an-
betrifft, eine äusserliche Architekturr bei der Bildung und Zusammen-
setzung jener Dekoration verräth sich insgemein mehr ein spielender Sinn,
als ein solcher, welcher den Ernst der Kunst in seiner ganzen Bedeutung
zu fassen vermügend gewesen wäre. Im Vorigcn sind bereits mancherlei
Bautheile besprochen worden, die für das eben Gesagte Belege geben.
Namentlich die Thürme der Jakobikirche zu Stralsund und der Nikolai-
kir-cne Zn Greifswald gehören hieher, sowie, unter den Werken kleineren
Maassstabes, die Giebel über dem südlichen Seitenschiiie des Domes von
Gammm Bedeutendere Beispiele werden im Folgenden gegeben werden.
1) Ich sage dies, weil es sich hier um gothische Architektur handelt
dar griaghischen, die an sich eine Architektur des Aeusserexi ist, würde efn
Über Ausdruck freilich nicht passen.
Bei
sol-