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Kunstgeschichte.
Pommersclne
von denen man aber keine Spur sieht, wohl ausführbar gewesen wäre. Doch
ist an der Kirche so Vieles verdorben und geflickt, dass es schwer sein
dürfte, über ihre ursprüngliche Anlage ein ganz bestimmtes Resultat zu
gewinnen.
Ein zwar sehr einfaches, doch zugleich eigenthümlich anmuthiges Ge-
bäude'ist die Gertruds-Iiapelle bei Treptow a. d. R. (vor dem
Greidenberger Thor-e). Der Altarraum ist dreiseitig geschlossen; vor der
Mitte des Giebels steigt, fast einem starken Strebepfeiler vergleichbar, ein
schmales Glockenthürmehen in die Höhe, in dessen Ecken Halbsäulchen
eingelassen sind. Die Gewölbe im Inneren sind ausgebrochen und die
Kapelle dient nur zur Aufbewahrung von Geräthen. Die beiden andern
Kapellen von Treptowv, die heil. Geist-Kap elle in der Stadt und die
Georgs -K apelle vor dem Colbergcr Thore sind minder bedeutend. Beide
sind verbaut. Die heil. Geist-Kapelle zu Garz an der Oder hat
eine ähnliche Anlage wie die Gertruds-Kapelle zu Treptow a. d. R; auch
sie indess ist im Inneren verbaut.
Sodann sind einige Kapellen anzuführen, deren Anlage sich, abweichend
von der bei den kirchlichen Bauten des Mittelalters vorherrschenden Haupt-
form, als Polygon gestaltet. Besondre rituelle Bedürfnisse werden diese
abweichende Form hervorgerufen haben. Zwei von ihnen, die bedeuten-
deren und die sich zugleich den schönsten pommerschen Bauten aus der
Zeit des. vierzehnten Jahrhunderts anrcihen, sind auf Kirchhöfexi belegen
und dürften als dem Gräberdienste gewidmet zu betrachten sein. Beides
sind Gebäude der Art, welche die Engländer als "Heilige Grab-Kirchen"
benennen und die man gewöhnlich als Nachahmungen der Kirche des
heiligen Grabes in Jerusalem betrachtet; namentlich die eine von ihnen
ist dieser Form sehr nahe entsprechend. Doch führen beide den Namen
der heil. Gertrud, der indess nicht minder die Bestimmung des Gräber-
dienstes anzudeuten scheintJ)
Die eine von ihnen ist die Gertruds-Kirche bei Yvolgast. Sie
ist von zwölfeckiger Gestalt (150). ln der Mitte steht ein starker Rund-
pfeiler, über dessen einfachem Deckgesims 24 Gewölbgurten ansetzen, aus
denen sich ein sehr zierliches Sterngewölbe entwickelt. In den Ecken der
Kirchenwände sind feine Gurtträger, Halbsäulchen in der Hauptform, ange-
bracht; die Gewölbgurte haben ein wohlgebildetes Profil, Fenster und Thü-
ren sind ebenfalls, zwar einfach, doch in edler Weise profilirt. Das ganze
Innere gewährt den wohlthuendsten Eindruck, der leider nur durch die
hineingesetzten hölzernen Emporen sehr beeinträchtigt wird. (Ueber die
Malereien an diesen Emperen s. unten.) Es wird behauptet, die Kirche
sei von Herzog Bogislav X. nach seiner Rückkehr aus dem gelobten Lande,
1) Es wird nämlich mit der genannten Heiligen die h. Gertrud von Nivelle,
die Tochter Pipins, des Major Domus unter Dagobert von Austrasien, gemeint
sein. Von Nivelle aber heisst es in der "Christlichen Kuustsymbolik und lkono-
graphie" (Fmnkf. a. M. 1839, S, 208.), dass dieser Ort "den Gestorbenen gute
Herberge bereiten solle." S0 erklärt es sich denn, dass auch noch anderweitig
die auf Kirchhöfen belegenen Kapellen den Namen der h. Gertrud führen, wie es
z. B. mit der oben genannten Kapelle bei Treptow a. d. R. der Fall ist.