Kirchliche Architektur.
Gothischer Sty] des
14. Jahrhunderts.
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Durßhbildung des Ganzen an sich beeinträchtigt würde. Noch mehr in
die Augen fallend ist der Unterschied, dass ein Theil der Kirchen dieser
Zeit (gleich den zuletzt genannten des dreizehnten Jahrhunderts) aus gleich
hohen Schiffen besteht während bei einem andern 'l'hci1e (dem tirsprüng-
liehen Bausystem des Mittelalters gemäss) die Seitenschitfe niedriger geha]-
ten sind, als das Mittelschilf. Beide Bauweisen geben zu der Entwickelung
eigenthümlicher Schönheiten Anlass; aber weder ist, was die in Rede
stehende Periode anbetrifft, die eine von ihnen der Zeit nach vorangehend,
noch ist ihre Anwendung durch umfassende lokale Unterschiede bedingt.
Nur das dürfte zu bemerken sein, dass sich hier und da einzelne Gruppen
von Gebäuden bilden, die der einen oder der andern Gattung angehören,
und dass, namentlich die Strecke Hinterpommerns von Belgrad bis Stolp
ausschliessiich Hauptkirchen mit niedrigen Seitenschiffen besitzt. Die Pfei-
1er der beiden Gattungen der pommerschen Kirchen haben fortan überall
die Grundform des Achtecks.
Für die bequemere Uebersicht der vorhandenen Kirchenbauten Scheint
es indess am Zweckmässigsten, sie nach dem zuletzt genannten Unterschiede
gesondert zu betrachten, indem natürlich durch die eine oder die andre
Hauptform ein verschiedener Bildungsgang bedingt ist. Wir wenden uns
zunächst zu den Kirchen mit gleich hohen Schiffen.
hoben Schiffen.
Gebäude mit gleich
Die Marienkirche zu Colberg (Maria gloriosa genannt) 1) scheint
unter den pommerschcn Kirchen des vierzehnten Jahrhunderts eine der
ältesten zu sein. Sie hat die seltne, in Pommern die einzige Form, dass
sie nicht ans drei, sondern aus fünf Sehifien, und zwar von wenig ver-
schiedener Höhe, besteht; dem Mittelschiil sehliesst sich sodann der, in der
Länge ziemlich ausgedehnte Chor als der Sitz des mit der Kirche verbun-
denen Domkapitels an. Das Ganze ist somit von eigenthiimlich freiem und
grossartigem Eindruche, und man hat nur zu bedauern, dass die Länge der
Schiffe ihrer Gesarnmtbreite nicht angemessen ist. Doch ist diese grosse
Breitenansdehnung der fünf Schiffe nicht ursprünglich; die beiden äußeren
Seitensehiife sind eine Hinzufügung späterer Zeit. Der ursprüngliche Bau
gilt gewöhnlich als eine Anlage sehr früher Zeit; schon vor dem Jahre 1230,
in welchem das Colberger Domkapitel an diese Kirche versetzt wurde,
sollen die drei mittleren Sehitfe gestanden haben und unmittelbar nach
dem J. 1230 der Chor angefügt worden sein. Beides ist aber unzulässig,
in Erwägung des Baustyles, der mit dem, was wir im Obigen über die
pommersehen Kirchenbauten bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts
ermittelt haben und was sonst über die Entwickelung des Baustyles jener
Zeit fest steht, auf keine Weise übereinstimmt. Vielleicht ist die Kirche,
was die gegenwärtige Erscheinung ihres Hauptbauesanhetritit, in der spä-
1) Vergl. über dieselbc: J. F. Wachs, Geschichte der Altstadt Colberg am,
bei welchem Werke zuglelch Grund- und Alzfrlsse der Kirche (doch in nicht,
sonderlich genugender parstellung) enthclten smq; und: J. G. W, Maass,
Geschichte und Beschraxbung der St. Manen-Domkxrche zu Colberg,