Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

Kirchliche Architektur 
Gothischer Styl der 2. 
13. Jahrh. 
Hälfte des 
697 
unter den bisher besprochenen, das Schiff der Domkirche von Cammjn. 
einige andre Kirchen, zu denen wir uns im Folgenden wenden reihen; 
sich ihr an. y 
Diejenigen Bautheile der bisher besprochenen Gebäude, die in das 
vierzehnte, funfzehnte oder sechzehnte Jahrhundert fallen, werden sich 
sofern sie überhaupt nähere Beachtung verdienen, "später an passende; 
Stelle aufs Neue einreihen lassen. 
Gothischer 
Styl 
der 
zweiten Hälfte 
des 
dreizehnten 
Jahrhunderts. 
Die kirchlichen Gebäude, die, nebst dem Schiff der Domkirche 
von Cammin, in die zweite Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts fallen, 
tragen, wie bemerkt, das vollständige Gepräge des gothischen Baustyles: 
in der" Anwendung der Strebepfeiler, in dem mit diesen und mit der 
ganzen Gewölbeinrichtung übereinstimmenden, eckig gebrochenen Schluss 
der Altarnische (falls nicht statt deren ausnahmsweise eine gerade Wand 
erscheint), in der Einführung grosser weiter Fensteröifnungen und in der 
gesammten Formation der architektonischen Details. Zugleich findet sich 
bei diesen Kirchen zuerst eine eigenthümliche Ausdehnung der räumlichen 
Dimension, indem die Seitenschiife gleiche Höhe mit dem Mittelschiff ge- 
winnen. Es sind vorzugsweise städtische Kirchen, die uns jetzt in 
dieser Weise entgegentreten, während die bedeutenderen der bisher be- 
trachteten Gebäude, als Kloster- oder Stiftskirchen, vorzugsweise der Geist- 
lichkeit angehörten und die städtischen Kirchen durchweg so wenig durch 
räumliche Ausdehnung wie durch architektonische Ausbildung sich aus- 
zeichneten. Der Grund dieser Erscheinung liegt in den allgemeinen ge- 
schichtlichen Verhältnissen klar ausgesprochen. Denn da die Gründung 
deutscher Gemeinwesen in Pommern (durch die eben Pommern auf's Neue 
zu einem deutschen Lande und der Entwickelung germanischer Cultur theil- 
haftig gemacht wurde) erst mit der späteren Zeit des zwölften Jahrhunderts 
beginnt, da sie erst im weiteren Verlauf des dreizehnten Jahrhunderts sich 
festsetzen und eigenthümlich ausbilden konnten, so ist es natürlich, dass 
sie nicht eben früher als in der späteren Hälfte dieses Jahrhunderts 
das Bedürfniss empfanden und die Mittel zur Hand hatten, ihren 
Städten durch emporragende Kirehenbauten dasjenige Gepräge der Würde 
zu geben, nach welchem der edle Sinn des mittelalterlichen Bürgerthums 
fort und fort strebte. Ja, es würde auffallend sein, in dieser Zeit schon 
so grossartigen Gebäuden, wie z. B. der Marienkirche von Pasewalk (vergl. 
unten) zu begegnen, wüssten wir nicht, wie schnell und mächtig die pgm- 
merschen Städte sich, nachdem sie einmal eine feste Stellung gewonnen, 
zu ihrer Entwickelung empor-gerungen haben. 
Zunächst dürfte unter den Gebäuden dieser Zeit die illlarienkirche 
von Anclam in Betracht kommen. oder vielmehr die in ihr vorhandenen 
älteren Theile, indem die grössere Masse des Baues, wie dieser gegenwärtig 
erscheint, auch hier wiederum späteren Zeiten angehört. Die Kirche ist ein
	        
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