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Pommersche
Kunstgeschichte.
nur noch das Folgende zu bevorworten. Sie begreift die in Pommern
vorhandenen Monumente nach den heutigen Grenzen des Landes; nur
einige wenige Orte von iintergeordneter Bedeutung, zu denen meine Reise
mich nicht geführt, sind unberührt geblieben. Ueber die Grenzen des
Landes, auch, nur zur Betrachtung derjenigen Nachbardistrikte, die zu
Zeiten mit Pommern verbunden waren, hinauszugehen, schien mir nicht
zweckmässig, da eben eine bestimmte Grenze gezogen werden musste.
Freilich steht die pommersche Cultur nicht als eine isolirte Erscheinung
da; sie wird wesentlich durch die Culturverhältnisse des gesammten öst-
lichen Niederdeutschlands bedingt sein. Diesen gegenseitigen Verkehr aber
genügend zu begreifen und darzustellen. dürfte es sehr nöthig sein, auch
die Monumente sämmtlicher Nachbarländer ähnlich umfassend zu unter-
suchen. Bezieht man sich nur auf eine oder die andre vereinzelte Erschei-
nung, so kann man leicht zu einseitigen Schlüssen verleitet werden. S0
hielt ich es für das Beste, die etwa vorhanden gewesenen YVechselivirkungen
für jetzt ganz unberücksichtigt zu lassen und, statt zwiefach Unvollständiges
zu liefern, meine ganze Aufmerksamkeit nur dem lnlande zuzuwenden.
Die Abtheilungen, welche ich meiner Arbeit gegeben, sind durch die
Beschaffenheit des vorhandenen Materials bedingt worden. Die Betrach-
tung der Architektur liess sich um so leichter von der der bildenden
Kunst trennen, als beide Fächer, wie bemerkt, hier mehr als anderswo
unabhängig von einander sich entwickelt haben. In der bildenden Kunst
liesscu sich aber die verschiedenen Gattungen nicht gleich scharf von ein-
ander sondern, da sie in der Regel zu gemeinschaftlichen Zwecken zusam-
menwirken. Hier suchte ich in der Zusammenstellung besondrer Gruppen
dem allgemeinen Gange historischer Entwickelung zu folgen.
Wenn ich in den Zeitbestimmungen, die ich aufgestellt, mancher her-
gebrachten Meinung widersprochen habe, so hoffe ich, dass man darin
nicht ein Willkürliches Besserwissen, sondern die Resultate einer kriti-
schen Forschung erkennen wird. Es ist freilich schwer, wenn wir von
dem, was alte Ueberlieferung und oft,dcr poetische Hauch der Sage uns
werth gemacht, uns lossagen sollen; gerade die dunkeln, Unbewussten
Eindrücke, die wir in der Jugendzeit empfangen haben, haften am Feste-
sten in uns, als seien sie mit unserm Dasein verflochten, und oft suchen
wir später allerlei Sophismen hervor, um ihnen eine scheinbare Begründung
zu geben. Aber das Gebiet der Geschichte verlangt Klarheit; hier kommt
es nicht auf unser subjektives Gefühl, sondern auf die unhefangene Dar-
stellung des organischen Entwickelungsganges, den der menschliche Geist
zurückgelegt, au. Diesen organischen Entwickelungsgang in den Kunstm0-
numenten unseres Vaterlandes nachzuweisen, war das Hauptbestreben, wel-
ches mich bei der historischen Gestaltung meiner Reisenotizen leitete; ich
hoffe, dass mein Bestreben nicht als ein erfolgloses erscheinen wird l).
1) Seit Abfassung meiner pommerschen Kunstgeschichte sind manche von
den kirchlichen Gebäuden des Landes einer mehr oder weniger umfassenden
Restauration unterzogen. Hiebei werden mit ihrer baulichen Besohaifenheit und
mit ihrer Ausstattung an bildnerischeu Denkmälern vielleicht nicht ganz nu-
erhebliche Veränderungen vorgenommen sein. Ich bin indess ausser Stande ge-
wesen, in Bezug auf derartige Vorkommnisse den Text meiner Schrift zu über-
arbeiten. Nur in einigen Anmerkungen habe ich auf solche Veränderungen, voll
denen mir eine Nachricht zugekommen war, hindeuten können. (1852)