Einleitung.
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rügischen Fürstenhauses. S0 Singt MeiSfeT Rllmßland von den Tugenden
des milden Fürsten Barnim von Stettin und fordert Herren, Ritter und
Singer auf, seiner nicht Zu VßTäessenw Obschon de? Herlßg, als Rumeland
das Lied dichtete, bereits verstorben war. S0 wird, durch den Meisner,
Bischof [Igrmann von Cammin als Diener der Frau Ehre bezeichnet nnd
seinem Namen durch zierliches Wortspiel (Heer, hehr, Herr und Mann)
ein bedeutsamer Inhalt gegeben 1).
Dann muss des Volksliedes gedacht werden, das vorzugsweise die
poetische Neigung des Volkes erkennen lässt. Mancherlei Bruchstücke und
Reimverse, die uns aus mittelalterlicher Zeit erhalten sind, bezeugen es,
wie frisch und lebendig das Volk den öffentlichen Ereignissen im Lande
zugeschaut, wie es dieselben durch Klang und Rhythmus der Erinnerung
aufbewahrt, sie mit humoristischer Derbheit aufgefasst und sich zu eigen
gemacht habe. Auch bis in die spätere Zeit hältdiese poetische Thätig-
keit des Volkes an; manch ein {liegendes Blatt des siebzehnten Jahrhun-
derts giebt uns davon erfreuliche Kunde. Ich kenne fast kein schöneres
deutsches Lied jener Zeit, das sich auf ötfentliche Ereignisse bezöge, als
das Lied, welches den Heldenmuth Stettins im Jahre 1677 feiert; es hat
ganz die frische Kraft, welche in jenem Jahrhunderte nur einem Martin.
lOpitz eigen war 2). Meistersingerzünfte hatten sich in den pommerschen
Städten nicht ausgebildet; aber ich weiss nicht, 0b dies, wo es sich um
den lebendigen Erguss des Gefühles handelt, sonderlich zu beklagen sei.
Dagegen findet sich Andres, was ganz im Style eines Hans Sachs gedichtet
ist. Ich meine hier namentlich ein komisches Drama: "Tetzelocramia, das
ist, Eine lustige Comoedie von Johann Tetzels Ablasskram etc." W81-
ches zum Beschluss der Reformations-Jubelfeier im Jahr 1617 zu Stettin
aufgeführt wurde. Es ist von dem damaligen Conrector des herzoglichen
Pädagogiums zu Stettin, Heinrich Kielemann, gedichtet und zeichnet sich,
ohne sich zwar in seiner Gesammt-Gomposition über den Kreis der Dra-
men des Hans Sachs zu erheben, in vielen einzelnen Stellen durch eine
frische, lebendige Laune aus, sowie sich auch Momente einer wirklich
ergreifenden tragischen Kraft darin finden.
Das vorzüglichste Zeuguiss des poetischen Geistes in Pommern aber
ist ohne Zweifel Kantzow's Chronik, die, wenn auch in Prosa geschrieben,
Vergl. über alles dies von der Hagen's so eben vollendete grosse Ausgabe
der Minnesinger. Wizlav's Gedichte Bd. III, S. 78, fli; seine Biographie Bd. IV,
S. 717, ii; seine Melodieen ebendas. S. 809, 11'. Zwei seiner Lieder, von Prof.
Fischer in neue Notenschrift übertragen, ebendas. Bd. IV, im Anhang, N0. 1 u. 2.
(Ein drittes Lied Wizlawfs ist, schon vor längerer Zeit, von mir in moderne No-
tenschrift übertragen und mit Accompagnement versehen; s. mein rskizzenbuch,
1830", Beilage zu S. 60, N0. 4. Gegenwärtig, bei Herausgabe dieser Samm-
lung, meiner kleinen Schriften zur Kunstgeschichte, habe ich zwei seiner Lieder,
in Wort und Weise erneut, meinen "Liederheften", deren Herausgabe ebenfalls
im Gange ist, eingei-eiht.) Die erwähnten Stellen vom Goldener s. ebendas.
Bd. III, S. 52, 4; von Frauenlob, ebendas., S. 123, 53; von H. Damen, S. 168, 9
und S. 164. 10 (über letztere Stelle vgl. Bd. IV, S. 743); von Rumeland, Bd. III,
S. 55, 14 n, 15; vom Meisner, ebendas., S. 92, 4.
2) Abgedruckt in der "Beschreibung der Stadt und Festung A. Stettin, 1678.14
(Wiederholt in meiner Geschichte des Preussisehen Staates und Volkes, von 1660
bis 1735, Bd. IV. des von E. Heinle unter diesem Titel begonnenen
Werkes.)