Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

Anhang. 
Kirch an. 
Benachbarte 
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wiederum weiter hinausrücken, Sie demnach für namhaft älter als die 
Kirche von Quedlinburg,  vielleicht für das ursprünglich von Markgraf 
Gero gegründete Gebäude halten. Hicfür scheinen in der That die auf- 
fallend kleinen Dimensionen der alten Fenster des Mittelschiffes und die 
weite, lee1'e Mauer, welche sich unter ihnen bis auf die Bogenstellung 
herab erstreckt, zu sprechen; ob aber die besondere Form der Säulenkapi- 
täle einen solchen Schluss erlaubt, müssen wir dahingestellt sein lassen,  
und um so mehr, als diese ganze Schlussfolgerung von einigen Anzeichen 
ausgeht, durch welche sie zwar als wahrscheinlich, doch noch nicht als 
vollkommen unwiderleglich dasteht 1). 
Gewiss beträchtlich älter als die Schlosskirche von Quedlinburg, mög- 
licher Weise noch in das neunte Jahrhundert gehörig, ist endlich die 
Gruftkirche dei- dortigen Kirche St. Wiperti, wie sich dies in jeder Be- 
Ziehung durch ihre besondere Beschaffenheit ergiebt.  
Wenden wir nach diesen Betrachtungen den Blick noch einmal auf 
die Schlosskirche von Quedlinburg zurück, welche in den gesarnmten Thei- 
len ihrer alten Anlage ein so eigenthümliches Bild bedeutsamer Pracht 
und Majestät entfaltet, so darf es uns auf keine Weise befremden, ein sol- 
ches in so früher Zeit, um den Anfang des elften Jahrhunderts, bereits 
vor uns zu sehen. Erfreutc sich das sächsische Land doch gerade in 
dieser Zeit seiner höchsten Blüthe, war Quedlinburg doch der Stalnmsitz 
der sächsischen Kaiser. den sie häufig besuchten, in dessen geheiligten 
Mauern sie die höchsten Feste des Jahres feierten, für dessen Verherr- 
liehung sie auf so mannigfache Weise bemüht waren. Aus diesen Um- 
standen sind wir sodann auch schon an sich berechtigt. vorauszusetzen, 
l) Beiläufig können wir hier noch eines andern, nicht fern gelegenen Gebäudes 
gedenken, dessen ursprüngliche Anlage ohne Zweifel in dieselbe Periode, wie 
die Schlosskirche von Quedlinburg und die Kirche von Wester-Gröningen, ge- 
hört, und welche zur Feststellung dieser Periode noch ein Gewicht mehr hinzu- 
fügt. Dies ist die Frauenkirche zu Magdeburg. Sie zeigt in ihrem Inneren 
ein eigenthümliches, jedoch nicht inconsequentes Gemisch von Rundbogen und 
Spitzbogen; bei näherer Betrachtung erkennt man indess, dass die gestimmte 
Spitzbogige Architektur des Inneren nur ein Ueberbau (aus dem dreizehnten Jahr- 
hundert) ist. Die ursprüngliche Anlage wurde vornehmlich dadurch verdunkelt, 
dass man beträchtlich verstärkte , gegliederte Pfeiler, zur sicheren Unterstützung 
des spitzbegigen Gewölbes, anordnete; aber in den Ecken einiger dieser Pfeiler 
(namentlich der beiden. welche dem Kreuz der Kirche zunächst stehen) sieht 
man noch die Theile der umbauten alten Säulen und ihrer Kapitäle hervorragen, 
 letztere mit rohen Bandverschlingungen geschmückt, welche ganz der Art und 
Weise eben dieser Verzierung, wie sie in Wester-Gröningen und Quedlinburg 
vorkommt, entsprechen. (Vgl. oben, S. 127.) Die Kirche wurde im Jahr 1014 
durch Erzbischof Gero erbaut und zu einem Oanonirat-Stifte bestellt; hundert 
Jahre später war das Stift sehr in Verfall gerathen und wurde, im Jahr 1129, 
durch den heiligen Norbert zu einem Prämonstratenser-Kloster reformirt. Uns 
sind die sehr ausführlichen Berichte über den Zustand des Stiftes und Klosters 
in dieser letzteren Periode aufbehalten, aber wir finden keine Spur, welche dar- 
auf hindentete, dass gleichzeitig ein neuer Bau nöthig geworden wäre, so dass 
wir für die ursprüngliche Anlage nur das genannte Jahr 1014 in Anspruch neh- 
men können. Vergl. Leuckfelds Antiquitates Praemonstratenses, S. 4 u. 10.
	        
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