Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Quedlinburg etc. 
Zu 
Schlosskirohe 
Gebäude, nach mancherlei vorangegangenen Unbilden, im J. 1179 zerstört 
und darauf im J. 1181 ein neues gegründet und dieses im J. 1220 einge- 
weiht (also wesentlich vollendet) wurde. Dieser Neubau dürfte hier mög- 
licher Weise in Betrachtung kommen; von etwanigen Resten eines älteren 
Gebäudes ist, dem Style nach, bestimmt nichts am Dome vorhanden. So- 
dann wird, unter Semeca, der im J. 1237 zuerst als Dechant des Domstif- 
tes genannt wird, neuer Bau-Unternehmungen, und zwar an der Westseite, 
wo die Thürme befindlich sind, gedacht. Im J. 1252 wird die Nothwen- 
digkeit, die vor Alter schadhafte Kirche auszubessern, ausgesprochen; im 
J. 1258 wird gesagt, dass sie durch einen Brand zerstört worden sei und 
von Grund aus neu gebaut werden müsse. Nun folgen in den Jahren 
1263-1276 reiche Zeugnisse anhaltender Bauthätigkeit, die sodann aber 
abbrechen und erst im Jahre 1341, 1354 und 1366, mit Bezug auf den 
Chorbau, wieder hervortreten. Wir haben hier also vier Bauperioden vor 
uns (die um 1200, die um 1237, die in der späteren Hälfte des dreizehnten 
und die in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts). Das Gebäude selbst 
aber zeigt nur drei wesentlich verschiedene Style. Es muss also zunächst 
in Frage kommen, ob der älteste Theil desselben, der Unterbau der 'l'hürme, 
ein Rest des um 1200 erbauten Domes, oder der um das J. 1237 begon- 
nenen neuen Unternehmungen sei, welche letzteren höchst wahrscheinlich 
durch den urkundlich angeführten Brand nöthig geworden waren. Die 
Frage ist schwierig, aber nicht unbeantwortbar. Werfen wir nemlich einen 
Blick auf den gesammten Zustand der Entwickelung der Baukunst, welcher 
in Deutschland in den ersten Jahrzehnten des dreizehnten Jahrhunderts 
herrscht, so finden wir hier (bei Gebäuden, deren Datum feststeht] noch 
überall den byzantinischen Baustyl, dem nur erst einzelne Motive des 
Ueberganges zum Gothischen beigemischt sind 1). In den in Rede stehen- 
den Theilen des Halberstadter Domes aber, welche zwar gleichfalls das 
byzantinische Element noch nicht verläugneu, herrscht der Spitzbogen be- 
reits wesentlich vor und wir können somit ein Gebäude der Art nicht be- 
reits als im J. 1181 gegründet betrachten.  Hiemlt steht sodann auch 
das historische Verhältniss der übrigen Bautheile im sichersten Einklange. 
fasser in ihrer Anwendung auf den vorhandenen Bau nicht gänzlich übereinstim- 
men. (Vgl Museum, Blätter f. bild. Kunst, 1837, N0. 14 und 18,  oben, 
S. 480 u. 489.) Für denjenigen unsrer Leser, welcher den Ansichten des Hrn. 
Lncanus folgt, oder vielleicht einzelnen Theilen des Halberstädter Domes ein 
noch höheres Alter zuzuertheilen geneigt ist, wird die gesammte Beweisführung, 
welche uns hier beschäftigt, eine ungleich grössere Leichtigkeit (vielleicht aber 
nicht dieselbe Sicherheit) haben, als wir ihr zu geben im Stande sind. 
1) Um hier weitläuüger Anführungen und Untersuchungen überhoben zu sein, 
möge statt weiterer Belege auf die treffliche Schrift von J. Wetter: "Geschichte 
und Beschreibung des Domes zu Mainz," und zwar auf die Anmerkung S. 49 
verwiesen werden, wo das gesammte Verhältniss bereits genügend und unwider- 
leglich auseinandergesetzt ist.  Auch ist es nicht übertliissig, bei dieser Gelegen- 
heit wiederholt zu" bemerken, dass die Ruine der Klosterkirche zu Memleben, 
welche man gewöhnlich als einen Rest des zehnten Jahrhunderts und somit, da 
sie in der That das entschiedene Gepräge des Ueberganges aus dem byzantinischen 
in den gotbischen Styl trägt, als ein Zeugniss für die frühen Anfange des Gothischen 
in Deutschland betrachtet, auf keinen Fall dies vorausgesetzte Alter haben kann. 
Vgl. Museum, Blätter für bild. Kunst, 1834, N0. 21; 1837, N0, 28;  oben, 
S. 174 u. 507, 1T.
	        
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