Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Schlosskitche zu 
Quedlinburg atc. 
das Feuer zerstört worden sein, und somit ist auch die Nachricht des Chro- 
nisten sehr wahrscheinlich, dass zuerst nach dem Brande von 1070 die 
Kirche mit Blei gedeckt worden sei  Mit eben dieser Nachricht verbindet 
sich noch eine andre, nach welcher gerade zu jener Zeit in dem benach- 
barten Gernrode, am dortigen Osterberge, Bleierz gefunden und Bleiberg- 
werke gegründet worden waren, welche für die Kirche des h. Cyriacus zu 
Gernrode, wie für die Stiftskirche zu Quedlinburg benutzt wurden, und 
ein zweckmässiges und brauchbares Material zur Deckung derselben 
lieferten 2). 
Dass man aber, bei einer blossen Restauration der Kirche, so lange 
Zeit bis zu einer neuen Einweihung derselben (von 1070 bis 1129) gebraucht 
habe, dies erklärt sich genügend aus den bewegten und unruhigen Ver- 
hältnissen jener Zeit, in welcher nicht nur die Aehtissinnen durch ihre 
Theilnahme an den öffentlichen Staatsverhältnissen leicht von der Sorge 
für den Bau abgezogen werden konnten, sondern sogar das Schloss selbst, 
im J. 1088, eine Belagerung auszuhalten hatte. Dass aber unter solchen 
Umständen die im J. 1129 erfolgte neue Einweihung der Oberkirche von 
um so grösserer Bedeutung war und die Feier derselben die der früheren 
Einweihung vom J. 1021 (welche bis dahin ohne Zweifel in den älteren 
Calendarien verzeichnet war) ersetzen musste, scheint in der Natur der 
Sache zu liegen. 
Aus alledem wird die Wahrscheinlichkeit sehr erhöht, dass das vor- 
handene Gebäude der Stiftskirche (Ober- und Unterkirche) in seinen wesent- 
lichen Theilen, mit Ausnahme der eben angeführten Restaurationen und 
der späteren Veränderungen, namentlich des gothischen Ueberbaues des 
Chores, in jene Bauperiode von, 997 bis 1021 gehört. Mit Bestimmtheit 
werden wir dies jedoch nur aussprechen können, wenn die Eigenthümlich- 
keiten des hier angewandten Baustyles uns auf eben diese Zeit hinführen, 
und wenn derselbe im Einklang mit dem Style andrer gleichzeitiger Ge- 
bäude steht und als ein Glied in der Gesammt-Entwickelung der Archi- 
tektur des früheren Mittelalters erscheint. Dies ist in der That der Fall: 
die hiezu erforderliche Untersuchung, welche eine weitere Abschweifung 
nöthig'macht, werden wir weiter unten folgen lassen. 
Es ist nun noch übrig, über die weiteren Veränderungen der Kirche 
im Innern und Aeussern zu berichten, so weit sich sichere Nachrichten in 
den Urkunden vorfinden. 
Reparaturen und kleinere Umbildungen einzelner Theile der Kirche, 
wie Neubauten des Klosters, machten sich im Laufe der Jahre fortwährend 
1) "Beatrix, sagt Winnigstiidt, bei Abel, S. 489., soll die 1070 ab- 
gebrannte Stiftskirche wieder haben bauen, und mit Blei decken lassen, ihn 
auch mit vielen Zierraten und Kleinodien begabet." Auf den Namen der Aeb- 
tissin kommt es hier nicht an, weil Winnigstädt in der Reihenfolge der Aebtissinnen 
viele Fehler hat. 
z) So sagt die Chronik der Stiftsbibliothek (ein Geschenk des Herrn Pastor 
Zander) S. 54, dass man Bleierz bei dem Osterberge bei Gernrqde gefulldßll 
und damit die genannten Kirchen gedeckt habe.
	        
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