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Schlosskirche
Quedlinburg etc.
diente. Hiefür spricht zunächst der Umstand, dass man das Fest seiner
Einweihung bis in das spätere Mittelalter hinein feierte, was bestimmt
nicht der Fall gewesen sein würde, wenn derselbe durch einen andern er-
setzt und somit eine neue Einweihung nüthig geworden wäre. Bei dem
ersten, in die Periode von 997-1021 fallenden Umbau der KirChß aber
hatte dieser Fall nicht eintreten können, da derselbe nicht durch irgend
eine Zerstörung der Kirche, sondern nur um sie zu erweitern, herbeigeführt
war. Wie sehr man aber in der gesammten katholischen Kirche für die
sichere Erhaltung einmal geweihter Altäre, vornehmlich solcher, an welche
sich eine vorzügliche Bedeutung knüpft, Sorge trägt, ist bekannt; so sahen
wir z. B. noch in unsern Tagen den Hoehaltar der uralten, jüngst durch
Brand verdorbenen Paulskirehe bei Rom, während der Zeit ihrer Wieder-
herstellung, durch ein Bretterhaus gegen alle Unbilden bei diesem Umbau
geschützt. Hiedurch aber geht zugleich hervor, dass der Boden der Kirche
Heinrichs ungefähr dieselbe Höhe hatte, wie der jetzt in der Unterkirche
vorhandene, und dass man somit auch nicht genöthigt war, die Gräber
Heinrichs und seiner Gemahlin zu stören, was ohnedies die Gefühle der
Ehrfurcht und Dankbarkeit verboten haben würden. Ob aber die Ausdeh-
nung jener Kirche in ihrer Länge und Breite mit den Umfassungsmauern
der gegenwärtig vorhandenen Unterkirche genau übereinstimmte, vermögen
wir nicht zu beurtheilen.
Der Neubau, von welchem im J. 997, unter der Aebtissin Mathilde,
die Rede ist, kann zunächst jedoch (worauf im Obigen bereits hingedeutet
wurde) nur das Schiff der Oberkirehe betroffen und die alte Kirche muss
noch mehrere Jahre hindurch unberührt daneben gestanden haben. Dies
beweist der Umstand, dass die Aebtissin Mathilde, die im J. 999 starb, in
der Mitte der Kirche neben ihren Grossältern begraben 1) und ihre Nach-
folgerin Adelheid, zn Michaelis desselben Jahres, vor dem Altare derselben
zur Aebtissin geweiht wurde z). So dürfte auch die oben rnitgetheilte An-
gabe des Chronisten, welcher von einer Anfügung des neuen Gebäudes zu
sprechen scheint (napponere curavit"), zunächst in ihrer wörtlichen Bedeu-
tung zu fassen sein. Und wenn wir annehmen (was sich später bestimmt
erweisen wird), dass die Schlosskirche, in den Haupttheilen ihrer gegen-
1) „Atque in medio Basilicae Sancti Petri et Scti. Stephani, iuxta tumulos
regum, avi et aviae suae Henrici et Mathildis reconditur," Ghron. Quedl. ad a.
999. Aehnlich sagt Ditmar Mers. II, p. 356. Leibrr: „Sepulta est in ecclesia
ad caput avi suimet, regis Henrici." Wir stimmen in unsrer Behauptung nun
auch hier, wenn freilich bedingungsweise, mit Wilhelm a. a. O. überein. S. 45:
„Das Wort Basilica bezeichnet nach den alten fränkischen Begriffen die Gruft-
kirehe eines Fürsten. Eine Gruftkirche, welche sich König Heinrich noch bei
Lebzeiten zu seiner künftigen Ruhestätte ausersehen, und die er wahrscheinlich
selbst hatte erbauen lassen, diese Gruftkirche nun, das sogenannte alte Münster,
befand sich auf dem Schlossberge zu Quedlinburg und wurde, nach Vollendung
des Baues der neuen Stiftskirche zu St. Servatii, mit dieser als Krypta. in Ver-
bindung gebracht." (Freilich so, dass man auch ihre Form dem neuen Bau ge-
mäss umwandelte.)
2) "Die solenui namque Michaelis Archangeli festo, eleetione iterata ab Ar-
nulfo coram Altari Sancti Petri Apostoli Principis et Sancti Stephani proto-
martyris honore congruo benedicitur." Ohren. Quedl. ad a. 999. Vergl.
Aunal. Ohronogr. Saxou. zu diesem Jahre , und Chron. Halberst. II, pv
119, Leibu. ,