Bilderhandschrifterl
des
Mittelaltejrs.
fachen Beschäftigungen. Aufs Genaueste sind, mit wenigen Strichen, alle
Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Trachten der Männer und Weiber
unterschieden, mit besonderer Vorliebe die Rüstungen der Krieger. Wir
sehen, wie alle einzelnen Stücke der Wappnung angelegt werden und wie
sie befestigt sind, wir sehen zierlichst geschlitzte Wappenröcke, den man-
nigfachsten Wappensehmuck der Schilde, bunt phantastische Helmzierden
aller Art. Dann finden wir fröhliche Mahlzeiten, Gesandtschaften, Kämpfe
u. s. w. Aber der Maler hat nicht bloss fern von den Leuten in seiner
Zelle gemalt; er weiss mit ihnen zu fühlen Freude und Schmerz und den
Beschauer, dafern dieser sich überhaupt in seine IILIVOHkOIIIIIIGUO Tech-
nik hineinfühlt, in Wahrheit zur Rührung zu bewegen. Freilich konnte
er den Gesichtern nur den allgemeinsten Typus der Lust oder Trauer mit-
theilen; aber er hat dafür eine höchst eigenthümliehe 111111 ilßaßllißllsiverfvhe
Mimik in den Bewegungen der Hände entwickelt, die in ihrer kindlichen
Naivetät ihre Wirkung nicht minder erreicht. Ehe ich jedoch von diesem
wichtigsten Punkte Näheres sage, ist manches Andre naßlllühülßll-
Allgemeines
über
die
wHandächrift.
Das grosse Gedicht des Heinrich von Veldek ist bekanntlich eine freie
Umarbeitung von VirgiPs Aneide, oder vielmehr nach einer schon vorhan-
denen wälschen Umarbeitung gedichtet, so dass die antiken Helden särnmt-
lich als turnierfähige deutsche Ritter auftreten. Es ist ein Rittcrgedicht, in
seinem Hauptgange nicht besser und nicht schlechter, wie es viele giebt,
nur durchweg frisch und edel gehalten. Sehr schön aber und voll der
tiefsten sinnigsten Poesie sind diejenigen Stellen, wo das lyrische Element
des Dichters bestimmter hervortreten kann, so die Entwickelung der Liebe
der Dido zum Aeneas, besonders aber das Liebesverhältniss zwischen
Aeneas und Lavinia; hier erhebt sich auch der Vers auf eigenthürnliehe
Weise und gewinnt nicht selten einen fast strophischen Charakter. Das
Gedicht ist in der späteren Zeit des zwölften Jahrhunderts verfasst werden.
Die in Rede stehende Bilderhandschrift der Eneidt, welche sich in der
Berliner Bibliothek befindet 1), ist eine Abschrift des Originals und kurze
Zeit nach dessen Beendigung geschrieben. Diplomatische Gründe. das
durchgehend angewandte lange s am Ende der Worte u. a., weisen mehr
auf das Ende des zwölften als den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts
hin 2). Sie stammt aus Baiernß) und bestätigt dies sowohl durch gewisse
eigenthümliche Umschreibungen des halbniederdeutschen Originals in ober-
deutsche Formen 4), als vornehmlich durch den besonderen Styl der Bilder,
1) Ms. germ. Fol. 282. 2) Herausgegeben ist das Gedicht nach der ungleich
späteren Gothaer Handschrift in Myllers Sammlung altdentscher Gedichte, Bd. I.
3) Eine vorn eingeheftete Notiz sagt: "Diesen Codex fand ich auf meinen kauf-
männischen Reisen im südlichen Deutschland im Jahr 1819 bei einem Manne,
der ihn mit einem Wust alter Papiere und Bücher aus den in Baiern aufge-
hobenen Klöstern gekauft hatte. Mit mehreren andern Sachen an Vtferth brachte
ich auch diese Handschrift an mich." U. s. w. IIessen-Cassel 1822. Carl
Oarvacchi. Näheres darüber besonders in den Notizen zum Heinrich von
Veldek, die im dritten Theil der bald vollendeten Ausgabe der Minnesinger durch
von der Hagen beündlich sind, und die mir der verehrte Herausgeber einzu-
sehen freundlichst gestattete. (Im vierten Theil der seitdem erschienenen Aus-
gabe, S. 76.)