564
Schlosskirche zu
Quedlinburg etc.
ihrem Ursprungs nach in ein höheres Alter hinaufreicht, als jede andere
Kirche Quedlinburgs, wenn auch die Zeit ihrer Stiftung und Einweihung
nicht angegeben werden kann, und zweitens, dass auch der Ort Quedlinburg
selbst, wiewohl er vor Heinriclüs Zeit nicht erwähnt wird, doch ebenfalls
nicht erst damals und etwa durch Heinrich gegründet werden, sondern
älteren Ursprungs ist. Dafür spricht auch die Entdeckung eines heidnischen
Begräbnissplatzes in der Nähe der Stadt, welcher von ziemlicher Ausdeh-
nung ist und das frühe Vorhandensein einer bedeutendcren Ortschaft an
jener Stelle beweistl). Auch pflegen überhaupt die Pfalzen jener Zeit,
denen Quedlinburg überall beigezählt wird, sämmtlich einer ältern Periode
anzugehören z).
Aber die Identität der jetzigen Wipertikirche mit jener ältesten Kirche
Quedlinburgs leitet uns noch bei einer andern, nicht minder wichtigen
Untersuchung auf den rechten Weg. Dass die Königliche Pfalz Quedlin-
burg unten im Thale, in der Nähe des jetzigen Schlossberges gelegen hat,
ist unzweifelhaft, und lässt sich aus einer Menge Stellen mit Ueberzeugung
darthunf). Ist nun die Wipertikirche, wie aus der angegebenen Urkunde
vom Jahr 961 mit Sicherheit folgt, die Kirche der Pfalz gewesen, so muss
diese nothwendig um die Wipertikirche her gelegen haben. So lag denn
eben so, wie die Pfalzen Wallhausen, Memleben, Tilleda, Allstädt und
andere, welche dem König Heinrich gehörten, auch die Pfalz Quedlinburg
im Thale, und war durch das unbedeutende Flüsschen und durch den Wald
und die Felsenberge, die sie umgeben, nur wenig gesichert. Darum sah
sich Heinrich genöthigt, diesem Orte einen grösseren Schutz zu gewähren.
Er that es aber auf keine andere Weise, als so, dass er den anstossenden,
sich von Westen nach Osten hin erstreckenden Berg befestigte, und darauf
eine Burg (urbs) anlegte. Dahin konnten sich in Fällen der Noth die Be-
wohner des Ortes flüchten; dies reichte aus, ihre Habseligkeiten aufzuneh-
men, Frauen und Kindern einen schützenden Aufenthaltsort darzubieteu
und dieRäubereien der Feinde zu hindern; darauf passt auch die bekannte
Erzählung Wittekinds vollkommen. Wenn daher Ditmar von Merseburg,
der sich selbst eine Zeitlang in Quedlinburg aufgehalten hatte, und sich
an Ort und Stelle unterrichten konnte, behauptet, dass Heinrich es von
Grund aus erbaut habe 4), so ist dies nicht von der Pfalz, wie wir gesehen
haben, sondern blos von der Burg zu verstehen, die ja in dem Sinne der
Zeit, da es in Sachsen noch nichts Anderes gab, die Stelle der späteren
Stadt vertrat. Der Felsenberg war bis dahin ganz unbebaut gewesen;
Alles was hier geschah, war das Werk Heinrich des Ersten.
Wann Heinrich angefangen habe, den Berg zur Festung zu machen,
kann man nicht ganz genau bestimmen. Liesse es sich überzeugend nach-
weisen, dass Quedlinburg ursprünglich Quidlingen geheissen habe (wie die
1) Fritsch, Gesch. von Quedl. I, S. 1. Klopstoclßs Ehrengedächtniss
S. 1. Selbst der Name Quitilingaburg, den wohl Niemand, mit der Sage, vom
Hündchen Quedel herleiten wird, deutet auf höheres Alter.
2) S. Wilhelm, Gesch. des Klosters Memleben in Thüringen, lste Abth.
Naumburg 1827, S. 9.
3) S. Chron. Quedlinb. ad a. 999 u. 1000. Chronogr. Saxo zum Jahr 968.
(I, 1:) Quedlinburg, quam ipse a fundamento exstruxit" bei Leibn. I, p. 328.