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Schlosskirche
6150.
Quedlinburg
Geschichte
der
Schlosskirche
zu
Quedlinburg.
Die Gründung der Schlosskirche zu Quedlinburg steht mit dem Ursprung
der Stadt selbst und dem Leben des Königs Heinrich des Ersten in dem
engsten Zusammenhange und kann daher nicht ohne Rücksicht auf Beides
besprochen werden.
Sachsen und Thüringen, Heinrich's Erbländer, hatten zur Zeit des Re-
gierungs-Antrittes des Königs meist offene Orte, welche bei Einfällen feind-
licher Horden dem Ueberfall und der Verwüstung ohne Schutz und Schirm
Preis gegeben waren. Da nun gerade in jener Zeit ausser den Slaven
und Normannen auch die Ungarn ihre furchtbaren, Alles verheerenden
Raubzüge über Deutschland und Sachsen ausgedehnt hatten: so wuchs die
Nothwendigkeit, das Land im Innern auf alle nur mögliche Weise wider
diese Feinde zu sichern. Es wird zu Heinrichs Hauptverdiensten gerech-
net, dass er diese Pflicht erkannte und dafür leistete, was in seinen Kräften
stand; und zwar nennt man Quedlinburg gewöhnlich zuerst1), wenn man
Beispiele für diese Thätigkeit des Königs anführen will. Was aber Heinrich
eigentlich gethan, 0b er Städte im heutigen Sinne gegründet, oder nur
Festungen zum Schutze seiner Unterthanen angelegt habe, ist zwar noch
immer nicht allem Zweifel entnommen, aber doch in neuerer Zeit mit
besserem Erfolge erforscht worden, als zuvor. Wie es sich mit Quedlin-
burg verhalte, davon wird sich ein ziemlich deutliches Bild entwerfen
lassen.
An einem vom Hauptstrom künstlich abgeleiteten Bodearme unmittel-
bar vor der jetzigen Stadt Quedlinburg liegen die merkwürdigen Ueberreste
des Wipertiklosters mit einer zu denselben gehörigen, dem heil. Wigper-
tus und dem Apostel Jacobus geweihten alten Kirche. In einer Urkunde
Otto's des Grossen vom Jahr 961 wird aber dieselbe Kirche noch nicht als
Klosterkirche, sondern als Kirche der Pfalz Quidlingen (curtis Quidilinga)
bezeichnet und mit der Pfalz zusammen an das auf dem anstossenden Berge
erbaute Stift geschenktz). Ueber diese Kirche giebt es eine alte, noch in
der neuesten Zeit als unzweifelhaft wiederholte 3), aber schon längst be-
kämpfte Nachrichti), sie sei im Jahr 841 oder 849 vom Bischof Haimo zu
Halberstadt gegründet worden, und das mit ihr schon damals verbundene
Kloster habe einst dem berühmten Hrabanus Maurus nach seiner Entfer-
nung vom Kloster zu Fulda eine Zeitlang als Aufenthaltsort gedient. Allein
i) S. L. R anke, Jahr-b. des deutschen Reichs, Dr. Waitz, Heinrich I.,
S. 75, vergl. S. 148 folgd.
2) S. Eyrath cod. dipl. Quedl. p. 11. ncortem scilicet Quitilinga cum eccle-
sia etc." Erst im Jahre 964 bekamen die dortigen Geistlichen das Recht, sich
einen Abt zu wählen. S. Erath p. 12.
3) Fritsch, Gesch. v. Quedl. I. S. 32 u. 287. Abel, Halberst. Chron.
S. 67. Kettner, Kirchengesch. v. Quedl. S. 114. Voigt, Gesch. v. Quedl. I.
SS. 280. Limmer Osterland S. 24. (1834)
4) S. Erath, cod. dipl. -Quedl. p. 957. F. Ranke, über den Ursprung
Qllßülillbllrää, Gymnasialprogramm v. J. 1833, S. 5.