Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

III. 
DIE 
BILDERHANDSCIIRIFT 
DER 
ENEIUF 
in der 
König]. 
Zll 
Bibliothek 
Berlin. 
vhrift vom Jahr 1834, abgedruckt 
Blätter für bildende Kunst," 1836, 
(Gelegenheitsm 
in der Zeitschrift 
Nro. 36-38.) 
"Museum, 
Zur 
Einleitung. 
    Es war um den Schluss des zwölften Jahrhunderts, als in Deutsch- 
land sich eine Blüthe des Lebens zu entwickeln begann, wie sie vorher 
nicht geahnt und wie sie, in gleicher Harmonie, bei uns nicht wieder ge- 
sehen ward. 
Die Jahrhunderte-langen Kämpfe zwischen Kaiser und Papst, wenn 
auch noch nicht beendet, hatten bereits zu dem Ergebniss geführt, dass 
keine von beiden Mächten zum nnbehinderten Despotismus berufen war. 
Der Friede, den Friedrich Barbarossa und sein grosser Gegner-Alexander III. 
im Jahr 1177 zu Venedig geschlossen hatten, war der feierliche Ausspruch 
dieses Ergebnisses. Das grosse Frühlingsfest, welches der Kaiser im Jahr 
1184 zu Mainz feierte und von dessen Herrlichkeit uns noch in alten Ge- 
dichten die Kunde erhalten ist  bezeichnet den Beginn des neuen Früh- 
lings, der über Deutschland heraufgezogen kam und der in der Freiheit des 
Einzelnen  vor weltlichem Drucke durch den Papst, vor geistlichem durch 
den Kaiser geschützt  wurzelte. Schon sangen die ersten Lerchen, den 
vollstimmigen Chor der Minnesinger einleitend; schon erstanden epische 
Gedichte, denen bald ein Nibelungenlied, ein Parcival, ein Tfristan folgen 
sollten; schon bereitete sich eine Baukunst vor, die man nachmals verächt- 
licher Weise ngothisch" benannt hat und deren wunderbare Majestät wir 
jetzt mit all unsern Schulregeln noch nicht itllSgemesggh und begl-iifen 
haben.  
Die Malerei ist, wie alle übrigen bildenden Künste, ein Kind der Bau- 
kunst; aber sie kann sich erst selbständig entwickeln, wenn diese in von- 
endeter Gestalt erschienen "ist. Denn indem sie das Auge in ihre Fernen 
und Tiefen hineilllißlll, S0 zerbricht sie gewissermaassen die architektonische 
Umgränzung des Raumes und hebt deren Wirkung wiederum auf. Ihre 
Blnthe musste somit ill eine spätere Zeit fallen, als die der Baukunst. Doch 
giebt es eine Gattung der Malerei,  eine Vorstufe, die doch ihre eigen- 
thümliche Ausbildung hat,  welche sich den architektonischen Gesetzen 
anschmiegt, ihre Gestalten feierlich symmetrisch ordnet, und den ferneren 
Raum hinter den Gestalten durch einen Teppich oder Goldgrund abschliesst. 
Diese Gattung der Malerei entwickelt sich mit der Baukunst Hand in Hand, 
und auch sie hat im Mittelalter tretTliche, in Deutschland leider noch so 
wenig beachtete Werke hervorgebracht. 
So zeigt sich denn auch in der Malerei gegen den Schluss des zwölf- 
ten Jahrhunderts ein eigenthümlicher Lebensdrang. Durch die Byzantiner 
Eneidt 
M yllen 
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