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Schlosskirclne zu
Quedli
ein kleines höchst interessantes, ltapellen-artiges Gemach welches an
der Ostseite eine eigene kleine Altar-Nische hat und mit einem Tonnen-
gewölbe überdeckt ist. Der Zugang zu demselben wird durch eine oifene
Bogenstellung von kleinen Zwergsäulen gebildet, deren Kapitäle eine, im
Mittelalter sehr seltene Form zeigen. Sie haben nämlich vollständige io-
nische Volnten, nur nicht (wie es bei der Antike der Fall ist) nach Oben
hinaus, sondern nach unten gewunden und durch einen einfachen Blatt-
schmuck verbunden. Das Deckglied dieser Kapitale, von schräger Form,
ist beträchtlich hoch und weit vorgekragt, um der Stärke des Bogens, den
es zu tragen hat, angemessen zu sein; es ist ebenfalls mit einem flachen
Blätterschmuck versehen. Man hält dies Gemach für eine Busskapelle;
einige auch für den Ort, in welchem der Bischof Bernhard von Halnerstadt
eine Zeit lang gefangen sass, als er die Stiftung des Erz-Bisthums Magde-
burg nicht gestatten wollte 1). Am Airsgange der Treppe endlich, vor dem
Eintritt in die Marterkammer, ist eine OeiTnung in der gegenüberstehenden
Mauer, in welcher man Gebeine gefunden hat, die man für die Reste einer
eingemauerten Nonne halten zu dürfen glaubte.
2) Das Innere der Oberkirche.
(Vargl. den beiliegenden Grundriss der Oberkirche.)
Dasselbe zerfallt, wie bereits bemerkt, in die beiden Räume des Schif-
fes und des über der Unterkirche ruhenden hohen Chores, welcher das
Qucrschiff mit in sich cinschliesst. An der Westseite der Kirche schliesst
sich der Thurm und der daneben befindliche, gegenwärtig abgesonderte
Raum dem Schiffe an.
Das Schiff wird durch zwei Bogenstellungen, in welchen je zwei Säu-
len von bedeutender Dimension mit einem viereckigen Pfeiler wechseln,
in die Räume des Mittelsehiffes und der Seitenschiiie gesondert. Diese
Einrichtung, in welcher vornehmlich die grossartige Schönheit des Basili-
ken-Baues beruht, tritt gegenwärtig nicht mehr klar vor die Augen des
Beschauers, indem die gesarnmte Bogenstellilng durch die, nach Annahmg
der Reformation angeordnete Einrichtung der Priechen oder Emporen auf
eine höchst unschöne und allen würdigeren Eindruck vernichtende Weise
verbaut ist. Auch hat dieser Einbau den Säulen und Pfeilern selbst be-
nächtlichen Schaden zugefügt, indem die Deckgesimse derselben bei dieser
Gelegenheit durchweg vertilgt, die Kapitäle mannigfaeh verletzt oder mit
Kalk oder Stuck verschmiert worden sind. Zwei von den Säulen (1 und m)
wurden dabei sogar ihres gesammten Obertheiles beraubt?) und der Bogen
über ihnen erweitert, um den an ihrer Stelle aufgeführten Zimmern der
Aebtissin und Priorin eine bequeme Ausbreitung zu verstauen. Die Ka-
Winnigstädifsl-Ialberstädt. Chronik bei Abel, S. 268: „Darum ward
der Kaiser unmuths über ihn, liess ihn zu Quedlinburg ins Gefängniss setzen,
in ein Gewölbe, da itzt eine Kapelle ist, und heisst noch S. Nieolai in vincnlis,
unter der Treppen in der Schlosskirche, darinnen sass er beinahe ein Jahr."
Vergl. Frits eh, I, S. 70 E. Hauptqnelle der Erzählung ist Chron. Halb. bei
Leibn. II, p. 115.
2) Die Kapitäle derselben sind vielleicht erhalten worden. Wenigstens sieht
man am Fnsse des Schlossberges, vor dem Hause, in welchem Klopstoek geboren
wurde, zwei umgestiirzte Kapitäle von ähnlichem Style und einer, wie es scheint,