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ZU
Schlosskirche
Quedlinburg etc."
man es, bei diesen beträchtlichen Neuerungen, an die Stelle der Holzdecken
in den bereits vorhandenen Basiliken Gewölbe einzusetzen, und die solide
Bauart der Kirchen hat häufig bis auf unsre Tage diese Last getragen.
111 Deutschland sind es vornehmlich die Rheinufer, wo sich die zahlreich-
sten Beispiele dieser mit halbrunden Kreuzgewölben überspaunten, mit
Kuppeln über der Durchschneidung des Kreuzes versehenen Kirchen vor-
finden: strenger und mächtiger am Mittelrhein, namentlich die Dome
zu Speyer, Worms und Mainz; leichter, in weicheren Verhältnissen, in
reicherer Dekoration (häuüg auch ohne Kuppeln) am Niederrhein, beson-
ders in Köln und der Umgegend dieser Stadt.
Im Detail machen sich hier die Formen der antiken Kunst (bis auf
einzelne, in sich begründete Ausnahmen, wie z. B. die Bildung der Säulen-
Basen) nicht mehr sonderlich bemerklich, und die Gliederungen erhalten
im Allgemeinen eine Gestaltung und Zusammensetzung der Profile, welche
dem Gesammt-Charakter der Architektur angemessen ist. Die Ornamente
gewinnen ein ganz eigenthümliches Gepräge; ein wundersam phantastischer
Sinn herrscht in ihnen vor, der sowohl in grösseren Zusammensetzungen
derselben häufig fabelhafte Arabesken vorführt, als er auch überall die
einzelnen Blätter und Ranken in eigen geschweiften und gewundenen Linien
ausbildet. Man benennt diesen Styl der mittelalterlichen Architektur ins-
gemein mit dem Namen des byzantinischen Styles, und wir werden
im Folgenden, wo es sich um ganze Gebäude oder einzelne Formen der
Art handelt, diesen Namen, als den zumeist gebräuchlichen, beibehalten,
obschon er in sich, wie bekannt, keine eigentliche Begründung hat. (Auch
anderweitig aufgekommene Benennungen, wie z. B. die des „lombardischen
Styles," scheinen uns nicht hinlänglich begründet, und wir lassen es somit
lieber beim Alten.) Aber wir unterscheiden den byzantinischen Styl be-
stimmt von jenem älteren Banstyl, welcher, wie bemerkt, einen wesentlich
verschiedenen Charakter hat, und den wir einfach mit dem Namen des Ba-
siliken-Styles bezeichnen wollen. Dass jedoch Uebergängc zwischen
beiden vorkommen müssen, liegt in der Natur der Sache. Der byzantinische
Baustyl erhielt sich in Deutschland. bis in die ersten Jahrzehnte des drei-
zehnten Jahrhunderts, in welcher Zeit sodann der sogenannte gothische
Baustyl als ein neues Element in die Kunst des Mittelalters hineintritt.
Für unser Interesse sind vornehmlich die dem Basilikeu-Styl ange-
hörigen Gebäude von Wichtigkeit. Zu ihnen gehört die Schlosskirchc von
Quedlinburg, und wie sie selbst, so dienen auch verschiedene andre Kirchen
der nächsten Nachbarschaft dazu, die Eigenthümlichkeiten dieses Styles,
wie sich derselbe in der früheren Zeit der deutschen Kunst ausgebildet
hatte, näher erkennen zu lassen. Wir legen somit ausser der Beschreibung
der Quedlinburger Kirche im Anhang die Beschreibungen noch einiger von
diesen Kirchen vor, welche hiezn einige brauchbare Mittel an die Hand
geben können. Doch beschränkt sich das Vorkommen dieses Styles nicht
eben nur auf die nähere Umgegend; vielmehr findet sich weiter nördlich
und nordwestlich noch eine namhafte Anzahl von Gebäuden der Art, welche
gleichfalls zu weiteren Forschungen auffordern, und unter denen namentlich
die Kirchen von Hildesheim von grosser Wichtigkeit für die ältere deutsche
Architektur-Geschichte sein dürften. Ueberhaupt gehört dieser Baustyl, in
Rücksicht auf seine vorherrschende Verbreitung, wesentlich den sächsischen
Landen an, und deutet somit entschieden auf die Blüthe der Kultur, welche
hier in den früheren Zeiten des Mittelalters gegründet ward, zurück. In