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Kritiken.
und
Berichte
seinen Kunstwerth, so doch als ein charakteristisches Zeugniss für die Sin-
nesweise der Zeit von Interesse ist. Wir lassen über dasselbe einige Worte
folgen, indem wir zum näheren Verständniss vorerst auf die persönlichen
Verhältnisse des Künstlers Rücksicht nehmen.
Werner hatte seine künstlerische Ausbildung in Bom, unter den letz-
ten Nachfolgern der Caraccfschen Schule, empfangen, hatte sich dort aber,
merkwürdiger Weise, einem bis zu dieser Zeit wenig beachteten Zweige
der Kunst, der Miniatur-Malerei, zugewandt, vielleicht weil die Ar-
beiten der Art, durch ihren Gegensatz gegen die grossräumigen bunten
Wandmalereien der Italiener, Aufsehen zu machen begannen. Werner's
zarte, höchst sauber ausgeführte Miniaturen fanden in der That einen un-
gemessenen Beifall, und Ludwig XIV. berief ihn nach Frankreich, als sei-
nen Hofmaler in diesem Fache der Kunst. Mehrere seiner Miniaturen von
reicher Composition wurden so hoch geschätzt, dass sie bei den königlichen
Kron-Juwelen aufbewahrt wurden. Doch liess es sich Werner angelegen
sein, auch in der Oelmalerei ähnliche Erfolge zu erreichen. So arbeitete
er einst an einem grossen historischen Oelgernälde, welches dem Könige
so wohl gefiel, dass er dessen gegen seinen vorzugsweise begünstigten Hof-
maler, Lebrun, mit besonderer Vorliebe erwähnte. Dieser, besorgt, dass
Werner auch in der Oelmalerei vom Könige möchte angestellt und sein
eigener Einfluss dadurch untergraben werden, beschloss den gefährlichen
Nebcnbuhler zu stürzen; er liess Werners Zeichnung alle mögliche Ge-
rechtigkeit wiederfahren, sprach aber sein Bedauern aus, dass Werner sich
nicht auf die Behandlung der Farben verstehe und dass seine Malerei von
keiner Dauer sein könnte. Zugleich liess er insgeheim, wie erzählt wird,
durch einen ihm ergebenen Schüler Werner's Gemälde zur Nachtzeit mit
einer scharfen Flüssigkeit überstreichen, wodurch denn seine Prophezeihung
bald in Erfüllung ging. Nun erhub sich ein gross Geschrei, wie wenig
Werner sich auf's Malen verstehe, wie man Gefahr laufe, für vieles Geld
unnütze Waare zu erhalten, und der König fand sich in Kurzem bewogen,
Werner aus seinem Dienste zu entlassen; wenig fühlte sich der Künstler
bei diesem Missgeschick durch die goldne Kette und die goldne liledaille
mit des Königes Bildniss, die ihm letzterer nachträglich einhändigen liess,
getröstet. Er ging nach Deutschland und arbeitete an verschiedenen Orten.
Im Jahr 1682 kam er wieder nach Bern. Als im Jahr 1685 Ludwig XIV.
das Edikt von Nantes aufhob und viele Tausende seiner protestantischen
Unterthanen sich in die Schweiz und meistens nach Bern flüchteten, ward
hier der Hass gegen den König so gross, dass auch Werner (dem übrigens
Lebrnn's Betragen keineswegs unbekannt geblieben war) sich bewogen fand,
durch das Bild, von dem im Obigen die Rede war, seinem langverhaltenen
Zorne Luft zu machen.
Es stellt das Mahl des Königes, sammt allegorischer und symbolischer
Bezeichnung alles des Bösen, als dessen Mittelpunkt man ihn betrachtete,
dar. Ludwig XIV. , im Gewande des Sardanapal, mit Satyrfüssen und
Schlangenschwanz, mit Hörnern, die aus den Locken seiner grossen Pe-
rücke hervorsprossen, und mit braunen Krallen-Armen, sitzt seitwärts am
Tische; er hält einen silbernen Teller, darauf, mit Blumen überstreut, ein
Todtenkopf liegt; das Weisse seines Auges ist brandroth gefärbt. lhm ge-
genüber sitzt Madame de Montespan als Bacchantin, in weissem, 039119111
Gewande und rothem Ueberwurf, mit Perlen und Blumen geschmückt.
den einen Fuss über die Weltkugel ausgestreckt; in der rechten Hand