Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

Denkmals einer sehr ausgebildeten Holzbaukunst etc. 
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erste Portal ist einfacher. Die Säulen ruhen, statt der Basis, auf seltsam 
stylisirten Thierköpfen, die Schäfte sind glatt, die Kapitale und der Bogen 
über der Thür jedoch mit zierlichem Rankenwerk bedeckt; über den Ka- 
pitälen, vor dem Ansatze jenes Bogens, erheben sich ein Paar Wundel-liche 
langgereckte Thierfiguren. Das zweite Portal dagegen ist sehr reich; wie 
der Bogen und die Kapitale, so ist auch der Schaft der Säulen mit buntem 
Rankenwerk "bedeckt; doch fehlen d1e_Th1erb1lder und die Säulen haben 
eine Art Basis, welche wiederum auf einem kurzen Cylinder ruht. Dazu 
kommt noch eine breite, viereckige Einfassung des Portales, welche eben- 
falls durch buntes Schnitzwerk erfüllt wird; hier sieht man Schlangen und 
Drachen, die sich mannigfach durcheinanderringeln, phantastisch gebildet 
und mit Laubarabesken verbunden. Der Styl dieser Verzierungen (an bei- 
den Portalen) ist demjenigen ziemlich nahe verwandt, welchen man in der 
deutschen Kunst des zwölften Jahrhunderts, an Sculpturen und vornehm- 
lieh auch an den Ornamenten der Malereien in Handschriften, vorfindet. 
Die Unterschrift zu dem letztgenannten Portale besagt, dass dasselbe "a1. 
tere, heidnisch-nordische Motive, mit orientalisch-byzantinischen ge- 
mischt", enthalte. Gewiss darf man eine solche Annahme 1m Allgemeinen 
gelten lassen,  vielleicht indess mehr in der Beziehung, dass überhaupt 
in den phantastischen Verzierungen der Art eine natronell germanische 
Gefühlsweise sich ausspricht; denn, wie bemerkt, fehlt es auch in Deutsch- 
land keineswegs (und zwar vornehmlich in einer Zeit, die der ersten Ein- 
führnng des Christenthums schon ferner liegt) an Bildungen der Art, so dass 
wir dieselben wenigstens nicht mit Gewissheit als eine unmittelbare Re- 
miniscenz heidnischer Darstellungen in Anspruch nehmen dürfen. Charak- 
teristischer scheint uns die schon besprochene Grundform der Kapitäle, und 
so auch der eigenthümliche Anschluss des Bogens an letztere. 
Das letzte Blatt (T. VI.) giebt eine Ansicht des Glockenthurmes der 
Kirche von Burgund, der ohne Verbindung mit der letzteren, sogar ausser- 
halb des dieselbe einschliessenden Zaunes, errichtet ist. Es ist ein vier- 
eckiger Bau von schweren, nicht hohen Verhältnissen; die Wände schräg, 
in einfachem Zimmerwerk aufgeführt; das hohe Giebeldach, ausser auf den 
Eckpfosten, zugleich auf kleinen Arkaden (denen des erwähnten Umganges 
der Kirche ähnlich) ruhend, und die Giebelseiten mit nifnem Reutenwel-k 
ausgefüllt. Eine beigefügte Vignette giebt die Lage und die Verhältnisse 
des Glockenthurmes zur-Kirche zu erkennen.   
Wir sehen den Fortsetzungen dieses Werkes, aus denen uns, wie wir 
hoffen, das eigenthümliche System dieser alten Bauanlagen in seinen vor- 
herrschenden Beziehungen und in der Art und Weise der Formation des 
Einzelnen noch deutlicher entgegentreten wird, mit der gespanntesten Er- 
wartung entgegen-
	        
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