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Berichte und Kritiken.
dass in den ersten Zeiten christlicher Kunstübung in den germanischen
Ländern vornehmlich der Holzbau (ohne Zweifel die Technik der vorchrist-
liehen Architektur weiter befolgend) zur Anwendung gebracht wurde, und
dass sowohl bei Häusern, Burgen und Schlössern, als auch bei Kirchen und
andern gottesdienstlichen Gebäuden das Material des Steines im Ganzen
zunächst nur selten benutzt ward. Auch fehlt es nicht an Nachrichten über
die bei solchen Gebäuden angewandte Pracht, so dass wir dabei eine eigen-
thümliche Ausbildung dieses Architektnrstyles voraussetzen müssen. Das
leicht zerstörbare Material aber hat (vielleicht mit Ausnahme vereinzelter
Details) wenigstens in Deutschland nichts Namhaftes der Art auf unsre Zeit
kommen lassen. Von den Resten dieser Kunst, welche sich in den Land-
kirchen wenig besuchter Gegenden Norwegens erhalten haben, war bisher
keine nähere Kunde zu uns gedrungen; das vorliegende Werk ist das erste
welches uns anschaulich mit ihnen bekannt macht. Und wenn dasselbe
natürlich zunächst das bedeutendste Interesse für denjenigen Boden hat,
welchem die dargestellten Monumente angehören, wenn SS Z. B. geeignet
sein wird, uns einen Begriff von dem Aussehen der alten hölzernen Resi-
denzen skandinavischer Könige oder Jarls in den frühesten Jahrhunderten
zu machen, so kann es gleichwohl auch eine Andeutung dessen geben, was
in dieser Art bei verwandten Volksstämmen geschaffen worden ist, so
namentlich in unserm eigenen Vaterlande, wenn wir auch dabei voraus-
setzen müssen, dass cine aus allerlei lokalen und historischen Verhältnissen
hervorgegangene, abweichende Formation des Einzelnen werde Statt gefun-
den haben.
Wir haben dem Herausgeber für sein Unternehmen um so mehr Dank
zu sagen, als auch die norwegischen Denkmals der Art bereits mit nahem
Untergange bedroht sind, und gegenwärtig wenigstens eine bildliche Dar-
stellung derselben erhalten bleibt. "Viele (sagt der Herausgeber, be-
kanntlich selbst ein geborner Norweger), die ich noch im Jahre 1826 ge-
sehen, fand ich bei meiner Heimreise 1834 abgerissen und durch Gebäude
von gemeinem Zimmerwerk ersetzt. Man hätte diese alten, schönen, ächt
nationalen, ja, ich möchte sagen, mit den religiösen Begriffen innig verweh-
ten Formen beibehalten und nach dem Bedürfnisse der Zeit in vergrösser-
tem Maassstabe umwandeln sollen."
In Rücksicht auf die erhaltenen Gebäude bemerkt der Herausgeber,
dass die meisten von ihnen durch die Zeit, durch Vergrösserungen und
Reparaturen mehr oder weniger an ihren Urformen gelitten haben. „ln den
entfernteren Gegenden indess (fährt er fort), wo man sich weniger um die
sogenannte Verbesserung dieser Gebäude bekümmerte, hat eben dieses zur
Erhaltung ihres alterthümlichen Charakters beigetragen. Oftmals waren
diese Kirchen nur Annexen (Filial-Kirchen), worin nur einigemal im Jahre
Gottesdienst gehalten wurde, und deren Unterhaltung, je nach den Um-
standen, der Gemeinde oder den Privateigenthümern überlassen blieb. Es
ward daher nur wenig, oder kaum das Allernöthigste dafür gethan, und
man beschränkte sich nicht selten auf ein äusseres Bestreichen der Bretter
mit Theer, welcher ihre Erhaltung wesentlich beförderte. Auch wurden
bei Reparaturen die Hauptformen theils aus Mangel an Kenntniss, theils
aus Gewohnheit, ja. ich möchte sagen, auch aus Aberglauben beibehalten.
Denn ich habe selbst ganz neue Gebäude gesehen, an welche man die
alten Bretter mit ihrem alten Schnitzwerke wieder genagelt hatte; 61161180
hat man bei vorzunehmenden Reparaturen alter Kirchen alte Verzierungen,