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Berichte und
Kritiken.
zahlreichen Schätzen französischer Malerei, die die königlichen Schlösser
besitzen, ausser jenen und einigen weniger bedeutsamen Arbeiten, nicht
mehrere aufgenommen wurden, so lag dies gewiss vornehmlich darin, dass
die unerfreuliche theatralische- und innerlich hohle Manier, welche bei der
Mehrzahl der älteren französischen Bilder vorherrscht, genügend durch
einige wenige Beispiele repräsentirt wird. Diese Manier tritt kaum mit
Ausnahme jener beiden Meister fast überall hervor, wo mythische, heilige
oder allegorische Gegenstände darzustellen waren; wo aber die Künstler
sich unmittelbar an das Vorbild der Natur anzuschliessen hatten, da musste
ihr Talent natürlich zu einer ungleich reineren Entwickelung Gelegenheit
Ünäßn- S0 Sind die Portraitbilder der französischen Künstler jener Zeit,
wie überall in den Epochen, in welchen anderweitige höhere Aufgaben
durch eine verdorbene Richtung der künstlerischen Phantasie in verfehlter
Weise gelöst werden, im Allgemeinen bei Weitem das Ansprechendste
ihrer Leistungen; so zeichnen sich auch, unter den bisher im Museum vor-
handenen Bildern, neben den genannten, zwei treffliche Portraits von P.
Mignard und H. Rigaud eigenthümlich aus; und so schliesst sich ihnen, als
Beispiel des Vorzüglichsten, was diese Schule geliefert, das in Rede stehende
Gemälde le Brun's an.
Es ist ein Bild von bedeutenden Dimensionen, mit einer Gruppe von
sechs , vollständig lebensgrossen Figuren und mannigfachem Beiwerk aus-
gefüllt. Vater und Mutter, von vier kräftigen, wohlhäbigen Kindern um-
geben, stellen sich dem Blicke des Beschauers dar; der Schmuck des Zimmers,
in welchem sie sich befinden, deutet auf mannigfachen Genuss und Freude
an den Werken der Kunst, wie denn in der That das stattliche Haupt
dieser Familie, Evrard Jabach, ein reicher kölnischer Banquier und zn
Paris ansässig, seiner Zeit als einer der eifrigsten Sammler und Kunstfreunde
bekannt war. Er sitzt auf der einen Seite des Bildes, im schwarzen faltigen
Schlafrock, das edle, etwas derbe Gesicht seitwärts zu den Seinigen ge-
wandt, und auf das Geräth, welches die Ecke des Bildes füllt, hinweisend.
Hier sieht man eine bronzene Colossalbüste der Minerva, eine andere Büste
auf dem Boden liegend, Bücher, Zeichengeräth, einen grossen Globus 11,3 w_
Darüber hängt ein Bildniss, welches das Portrait eines Malers, ohne Zweifel
le Brun's selbst, darstellt; es scheint, indem der Künstler hiedurch in an-
sprechender Weise in den Familienkreis hereingezogen ist, auf ein ver-
trautes Verhältniss zu letzterem hinzudeuten und erklärt somit zugleich die
Liebe und Sorgfalt, mit welcher das ganze Werk durchgeführt ist. Ueber
die Lehne des Stuhles, auf welchem der Vater sitzt, neigt sich ein roth-
bäckiger Knabe, der, ein Hündchen im Arme, mit jenem spricht und auf
die Mutter hinweist. Diese, ein feines, zartgefärbtes Gesicht, sitzt zur Seite
des Vaters und neben ihr, auf einem Kissen, ein andrer Knabe, etwa ein-
jährig und nackt. Ein hübsches kräftiges Mädchen steht zwischen den
Knieen der Mutter; ein andres, etwas älteres, zur äussersten Rechten; diese
prangt in einem bunten blumigen Seidenkleide und stellt, mit ihren etwas
blassen Zügen, bereits die angehende junge Dame vor. Vorn ist ein Tritt
mit einer gewirkten Decke, auf welcher ein Windhund sitzt. An der hin-
teren Wand des Zimmers bemerkt man verschiedene Gemälde und Kunst-
sachen. Wenn wir den grossen Werth des Bildes anerkennen, so S011
damit auf der andern Seite jedoch nicht behauptet werden , dass es nicht
das Gepräge seiner Zeit trage, dass die Anordnung der Gruppe nicht auch
ein wenig theatralisch berechnet sei, und dass nicht im Colorit daß Stßfflißhß