Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Berichte und 
Kritiken. 
Grösse ausgeführten Darstellungen, wie in zweckmässiger Anordnung der- 
selben (z. B. bei den Gewölbgesimsen zugleich die der vertikalen Archi- 
tekturtheile, über denen sie ausgehen) mitgetheilt hat. Möge eine solche 
Darstellungsweise in allen Werken ähnlicher Art Anerkennung und Nach- 
folge finden und uns so zu einer gründlicheren Kenntnissnahme des inneren 
Wesens der architektonischen Monumente die schon so lang erwünschte 
Gelegenheit geben! 
Uebrigens war die Liebfrauenkirche (oder vielmehr der vorhandene 
Neubau, der ein älteres, verdorbenes Gebäude zu ersetzen dienen sollte), 
wie oben bereits angeführt ist, erst im J. 1227 gegründet worden, war aber 
noch im J. 1243, wie aus der, in den Erläuterungen des Hrn. Direktor 
Wyttenbach angeführten Urkunde hervorgeht, im Bau begriffen. Und 
wenn wir demnach hier, im Westen des Rheines, in Folge sicherer histori- 
scher Daten, so spät noch und bei so geistreichem Bestreben, das neue 
Element der Kunst gründlich zu verarbeiten, ein Gebäude erstehen sehen, 
welches den germanischen Styl noch immer nicht in seiner Reinheit zeigt, 
vielmehr noch manch ein byzantinisches Element nicht abzuweisen ver- 
mögend ist, so werden wir hiedurch hoffentlich die Ueberzeugung gewinnen, 
dass in der Zeitbestimmung von Gebäuden, die in ferneren östlichen 
Gegenden, unter minder günstigen Culturverhältnissen aufgeführt sind, etwas 
minder zuversichtlich, als es bisher geschehen, zu Werke zu schreiten sei. 
Ausser diesen architektonischen Verhältnissen ist die Liebfrauenkirche 
von Trier auch durch die Sculpturen, womit ihre Portale  ohne 
allen Zweifel gleichzeitig mit der Erbauung  geschmückt sind, für die 
Kunstgeschichte von grosser Wichtigkeit. Das Hauptportal namentlich 
besitzt einen grossen Reichthum von Sculpturen, theils freistehende Statuen 
von bedeutender Dimension, theils Hautreliefs; das Seitenportal hat ein 
anmuthvolles Relief,  das Cllorportal nur Schmuck von zierlichem 
Blattwerk. In den Zeichnungen des Herausgebers ist der Charakter 
dieser Sculpturen mit Geschmack, in genügender Deutlichkeit und mit voll- 
kommener Treue wiedergegeben. Auch sie verrathen sämmtlich eine Hin- 
neigung zu dem freieren germanischen Style der bildenden Kunst, so jedoch, 
dass auch bei ihnen noch mannigfache Nachklänge der älteren byzantini- 
schen Darstellungsweise beibehalten sind. Letzteres hier indess nicht zum 
Nachtheil der in Rede stehenden Arbeiten. Sie gewinnen hiedurch eine 
Verbindung von Zartheit und Ernst, von Würde und Milde, von Hoheit 
und Anmuth, in welcher man die Elemente der edelsten Kunstrichtung zu 
erkennen berechtigt ist. Namentlich jene Gestalten der Verkündigung 
Mariä (zu den Seiten des Fensters über dem Hauptportal) sind von einer 
Zartheit des Gefühles, von einer stillen Würde in Stellung, Bewegung und 
Gewandung, wie zu jener Zeit nicht eben viel Werke der Art gefunden 
werden. Ueberhaupt aber finden wir in diesen Arbeiten ein neues Beispiel 
von dem merkwürdigen Aufschwunge der bildenden Kunst, vornehmlich 
der Sculptur, welcher um den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts in 
Deutschland stattfand, und welcher, neben mannigfach andren erhaltenen 
Werken, in den Sculpturen der Klosterkirche zu Wechselburg in Sachsen, 
in denen von Freiberg im sächsischen Erzgebirge (erstere in den von Hrn- 
Dr. Puttrich herausgegebenen Denkmälern bereits abgebildet, die andefe 
einer späteren Mittheilung vorbehalten),  in so mannigfachen Elfenbein" 
schnitzwerken, namentlich einigen merkwürdigen, aus Bamberg stammende" 
Bücherdecken, gegenwärtig in der Hofbibliothek zu München befindlich, 
	        
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