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Berichte
und
Kritiken.
und originellen Plan erbaut, ja wahrscheinlich einzig in ihrer Art, und
ihrem leider unbekannten Baumeister scheint die goldene Regel sehr wohl
bekannt gewesen zu sein, wie an verschiedenen Gebäuden von gleichen
Dimensionen, das Innere dessen am reichsten erscheint, welches dem
Beschauer auf einen Blick die meisten Gegenstände darbietet, so wie das
am grössten, welches die meisten Abtheilungen zeigt i). Das Mittelschid
bildet nämlich ein beinahe gleichschenklichtes Kreuz über 12 runden
Säulen, 4 stärkern in der Mitte und 8 leichtern Nebensäulen, dessen öst-
lichem Arm sich ein fünfseitig geschlossener Chor anschliesst und ihn hier-
durch gegen die 3 anderen dreiseitig geschlossenen um Einiges verlängert.
Zwischen diesen Kreuzes-Armen befinden sich eine Art mit einem halben
Achteck geschlossene Doppelkapellen, als niedrigere Abseiten, wodurch
sich die Grundfläche als ein mit Halbpolygonen umkränztes Zwölfeck
gestaltet, über dessen Mitte, d. h. den vier Hauptsäulen, ein Viereck gleich
einer Kuppel sich erhebt, welches nach Innen mit einem viergetheilten
Kreuzgewölbe geschlossen, über diesem ein niedriges hölzernes Satteldach
mit steilen Walmen trägt, an dessen Stelle sich ehemals ein sehr hoher
achtseitiger Spitzhelm befand, welcher durch einen Sturm im Jahr 1631
hart beschädigt, dann abgetragen und durch das gegenwärtige Dach ersetzt
wurde. Die Ausführung des Ganzen ist vortrefflich, dabei so reich wie
zierlich, zumal die Portale, alles bis auf die Felder der Kreuzgewölbe
aussen wie im Innern aus Werkstücken von einem feinkörnigen, schön
gefärbten Sandsteine bestehend, wohl erhalten und nur durch wenige neuere
Zusätze verunstaltet.
"Das oben genannte Werk giebt uns nun für einen sehr mässigen Preis
zwei Grundrisse, einen Durchschnitt, die Ansicht des Aeussern, eine per-
spektivische des lnnern, die 3 Portale und 1 Blatt Detailzeichnungen, alles
in ziemlich grossem Maassstabe (die Blätter haben die Grösse des Bois-
sereeschen Werkes über die Denkmale am Niederrhein) auf feinem Papier
sehr sauber gezeichnet und lithographirt, mit einem gleichfalls lithographir-
ten Titelblatte. 35 Quartseiten historischen und artistischen Text und einer
werthvollen Zugabe in der angehängten Abhandlung des Hrn. Domkapi-
tulars Dr. Müller über den Sinn und die Bedeutung der in dieser Kirche
vorkommenden Bildwerke in 18 ferneren Seiten"
Wir könne! nicht umhin, dem vorstehend eingesandten Aufsatze über
die erste Lieferung der 'l'rier'schen Alterthümer noch einige Worte, zur
näheren Würdigung dieses höchst treftlichen und alle Beachtung verdie-
nenden Werkes, hinzuzufügen. Die merkwürdige Constmktion des Grund-
planes der Liebfrauenkirche ist im Vorigen auf genügende Weise aus:
einandergesetzt worden. Zu bemerken ist jedoch, dass, wie aus den
angeführten Erläuterungen des Hrn. Domkapitular J. G. Müller (Verfassers
der bekannten Abhandlung "über die bildlichen Darstellungen im Sanctua-
rium der christlichen Kirchen" etc.) hervorgeht, jene Gi-undrissform nicht
als ein Ergebniss willkürlicher Neuerung zu betrachten, sondern dass sie
in bestimmter Rücksicht auf besondere liturgische Bedürfnisse erfunden ist.
Die Kirche sei nämlich nicht bestimmt gewesen, der gottesdienstliche Ver-
sammlungsort einer Volksgemeinde zu sein, sondern der einer Priester-
„A grandeur ägale de deux intärieurs, celui qui oßre le plus de diuisions
parait le plus vaste; celui qui präsente. le plus d'objets ä la fois, pamil le plus
magnijique. Dumml: Lepons düzrchitecturv, Band II. S. 42."