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Berichte
und
Kritiken.
deu.Lehrern der Wittenbergcr Universität, der Mehrzahl nach (besonders
die letzteren) ganz tüchtig gemacht, durchweg von lebenvoller Auffassung
und von grossem geschichtlichen Interesse. Leider jedoch sind sie in einem
sehr vernachlässigten Zustande, der den Freund geschichtlicher Denkmale
mit tiefem Bedauern erfüllen muss 1). Ebendaselbst sieht man auch ein
grosses Bild des gekreuzigten Heilandes, von der Hand des jüngeren Cra-
nach (mit Monogramrn und Jahrzahl versehen): der Körper weniger befrie-
digend ausgeführt, aber das Gesicht in dem schönen, milden Ausdrucke
der diesem Künstler so eigenthümlich ist.
Da die Arbeiten des jüngeren Cranach selten sind und der Name
dieses Künstlers, eines derjenigen, die den Styl der älteren deutschen Kunst
am längsten in einer manieristisch ausartendcn Zeit bewahrt haben, selten
seinem Werthe gemäss anerkannt wird, so dürfte hier noch ein andres
wenig bekanntes Werk, an welchem derselbe bedeutenden Antheil hat, an
passender Stelle anzuführen sein 2). Es ist ein grosses, von verschiedenen
Händen ausgeführtes Altarwerk, welches sich in der Stadtkirche von Kem-
berg (nahe bei Wittenberg) befindet; die nachfolgende Beschreibung des-
selben verdanke ich der gütigen Mittheilung des Hrn. Professor Hampe
zu Berlin. '
„In der Stadtkirche zu K. befindet sich ein Altar mit Flügelthüren,
auf dessen äusseren Seiten Begebenheiten des alten Testaments, auf den
inneren Begebenheiten des neuen Testaments dargestellt sind. Wenn die
Flügelthüren zugemacht werden, so sieht man erstlich Adam und Eva unter
einem grossen Apfelbaum: auf der rechten Seite des Bildes steht Adam,
auf der linken Eva; sie hat einen Apfel in der Hand. Im Mittelgrund,
neben Adam, schafft Gott den ersten Menschen aus einem Erdenkloss; auf
der Seite der Eva, im Mittelgrunde, ist die Erschadung des Weibes aus
der Rippe des schlafenden Adam. Im Ilintergrunde das Paradies, aus
welchem. sie durch einen Engel mit dem flammenden Schwerte verjagt
werden. Das Bild hinter dem rechten Flügel des Altares stellt die Sünd-
tluth vor; hinter dem linken Flügel sieht man Loth mit seinen Töchtern.
Diese beiden Bilder sind von Einer Hand und schlechter als die andern.
Neben dem linken Flügel die Errichtung der ehernen Schlange: dieses ist
von dem Meister, welcher Adam und Eva gemalt hat, und ungleich besser
als die Sündtluth und Loth. Werden die Flilgelthüren geöffnet, so sieht
man erstlich auf dem rechten Flügel die Taufe Christi, von der Hand des
jüngeren Cranach gemalt. Christus steht im Jordan und am Ufer desselben
ist Johannes, mit einem Felle bekleidet, welcher aus einer Kanne das
Wasser auf das Haupt Christi herabgiesst. Im Mittelgrunde mehrere Zeit-
1) (In neuerer Zeit ist eine umfassende Restauration dieser Gemälde erfolgt.)
z) Vorzügliche Werke des jüngeren Cranach sind ausserdem: eine Vermäh-
lung der heiligen Katharina im Dome von Merseburg und verschiedene Tafeln, zu
zwei Altarwerken gehörig, in; Westchore des Naumburger Domes. Ich habe die-
selben bereits früher (vergl. oben, S. 165, 1T.) beschrieben, und die Vermuthung
aufgestellt, dass sie von dem jüngeren Cranach herrühren dürften, eine Meinung,
die ich jetzt, nach genauerer Keuntnissnahme von den sicheren Werken dieses
Künstlers, mit Ueberzeugung wiederholen darf. (18.37.)