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Berichte
und
Kritiken.
Dann ist vornehmlich das grosse Werk, welches den Altar des hohen
Chores schmückt und mit der Jahrzahl 1518 versehen ist, von besonderer
Wichtigkeit für die Kunstgeschichte. Es ist ein Schrein mit lebensgrossen,
holzgesehnitzten Figuren und mit Flügelthüren, die aussen und innen mit
heiligen Gestalten bemalt sind. Letztere namentlich erwecken das Interesse
des Kunstforschers; der Verf. führt die verschiedenen Schriften an, welche
dieselben bereits, in grösserer oder geringerer Ausführlichkeit, behandelt
haben. Heller, im Leben Lucas Cranacifs, nennt sie unter den Werken
dieses Meisters; eine Meinung, die nicht haltbar sein dürfte, wenn gleich
in technischen Bezügen (namentlich in der Behandlung der Stoffe) manche
Anklänge an diesen Künstler zu finden sind, die indess nur mehr auf
einen in grösserer Ausdehnung verbreiteten (wir wollen sagen: nsächsischen")
Styl der Malerei zu deuten scheinen. Im Wesentlichen tritt hier ein Meister
von eigenthümlich grossartiger Ausbildung hervor, der aber, nach unsren
bisherigen Kenntnissen, noch ziemlich vereinzelt dazustehen scheint. Der
Verf. hat die Güte gehabt, die Charakteristik, welche Referent von diesem
Werke entworfen, neben andern Bemerkungen über dasselbe, ebenfalls
aufzunehmen.
Verschiedene andre Gemälde und Bildwerke, die sich in der Domkirche
befinden, sind vornehmlich in dem abgeschlossenen linken Kreuztlügel
zusammengestellt und so eine zweckmässige Aufbewahrung derselben gesi-
chert. Die grosse Anzahl der Grabsteine (deren vollständiges Verzeichniss
das oben angeführte Programm enthält) sind an den Wänden der Kirche
aufgestellt, und ist somit ebenfalls für ihre Erhaltung gesorgt. Endlich macht
der Verf. auch auf die übrigen, mehr oder minder wichtigen Gegenstände
der Kimst-Technik, namentlich auf den grossen Schatz der kostbaren Mess-
gewänder u. a. dergl., welche in der Sacristei bewahrt werden, näher
aufmerksam.
Ich reihe
hier den
Aufsatz ein, den ich für das
geschrieben hatte:
oben erwähnte
Programm
Die Domkirche von Brandenburg lässt in ihren einzelnen Theilen mit
Sicherheit zwei von einander verschiedene Baustyle erkennen. Die rund-
bogigen Arkaden, welche die Wände des MittelschiiTes tragen, erscheinen
in dem Charakter des sogenannten byzantinischen oder romanischen
Baustyles, ebenso die Wände und Säulen der Gruftkirche, sammt einem
Theil der Aussenwände des Chores. Der obere Theil des Mittelschiffes
und Chores, die Seitenschiife und das Gewölbe der Gruftkirche tragen
dagegen den Charakter des späteren gothischen Styles. Diese Verschie-
denheiten der Baustyle deuten auf die verschiedenen Perioden, in welchen
das vorhandene Kirchengebäude entstanden ist, und die gothischen Theile
desselben bezeichnen einen Umbau, der in späterer Zeit, in bedeutend
umfassender Weise, angeordnet war. Dass hier dem Beschaner zwei wesent-
lieh verschiedene Zeiten entgegentreten und das Ganze nicht etwa wie
die Geschichte der Architektur auch wohl Beispiele dieser Art darbietet-
als eine gleichzeitige Anlage mit absichtlicher Verschiedenheit des Styles
in den einzelnen Theilen zu betrachten ist, ergiebt sich vornehmlich aus
dem Umstande, wie das Gothische dem Byzantinischen in unharmonischer