446
und
Berichte
Kritiker
zu M.) gearbeitet ist und für die historische Sicherstellung der vorhandenen
Monumente eine wüuschenswerthe Grundlage bietet. Hierauf eine, mit
gewandter Sachkenntniss abgefasste „Beschreibung der Baudenkmale der
Stadt Merseburg, von denen hier Abbildungen gegeben werden." Die
Abbildungen bestehen aus 10 Tafeln, welche ausser einem Blatt mit Grund-
rissen, einem zweiten mit leicht in Stahl geätzten Sculpturen und der zier-
lich radirten Titelvignette, aus sehr sorgfältigen, ausgeführten Lithographieen
(in Berlin, Dresden und Paris gefertigt) bestehen. Die Mehrzahl der letz-
teren enthält interessante malerische Ansichten, welche dem Beschauer die
in Rede stehenden Gegenstände unmittelbar und deutlich vorführen.
Das wichtigste der dargestellten Monumente, und dem die grössere
Anzahl der Abbildungen angehört, ist die Domkirche von Merseburg.
Sie vereinigt verschiedene Baustyle in sich, welche der Verfasser, in Rück-
sicht auf die vorhandenen urkundlichen Zeugnisse und ihren eigenthiim-
liehen Charakter folgender Gestalt (und Referent glaubt diesen Annahmen
im Allgemeinen vollkommen beitreten zu dürfen) bestimmt: die Crypta, die
östlichen runden Thürme und der untere Theil der westlichen lhürme dem
elften Jahrhundert, zum Theil vermuthlich der ersten Erbauungszeit. (unter
Kaiser Heinrich II.) angehörig; der Chor nebst dem Kreuzbau und die
westliche Vorhalle schwerer Spitzbogen mit byzantinischen: Detail
aus dem Ende des zwölften und Anfange des dreizehnten Jahrhunderts
(letztere Bestimmung dürfte minder gewagt erscheinen), das Schiff nebst
seinen Abseiten aus dem funfzehnten Jahrhundert. Interessant ist unter
den ältesten Theilen vornehmlich die Crypta, deren eigenthümlich gestal-
tete Pfeiler mit ihren seltsam geschweiften Kapitälen und andren Glie-
derungen" ein wichtiges Beispiel für die Formation der älteren deutschen
Architektur enthalten dürften. Sie wechseln iri zwei verschiedenen Bildun-
gen und sind theils in perspektivischer Ansicht, theils in horizontalem
Durchschnitt (letzterer jedoch für die complicirtere Bildungsform [T. 9, x]
vielleicht nicht ganz in genügender Grösse) dargestellt. Für das Studium
möchte es noch erspriesslicher gewesen sein, wenn auch die Profile der
einzelnen Gliederungen derselben auch vielleicht die der Wandpfeiler
der Crypta etc. in geometrischem Aufriss mitgetheilt wären 1). Aus
der Zeit der zweiten Bau-Periode sind insbesondere die Querwände, welche
die Sitze der Chorherren von den Kreuztlügeln sonderten, von Wichtigkeit.
Die leichten Relief-Arkaden, mit welchen dieselben versehen sind, enthalten
mannigfach zierlichen Schmuck an den Kapitälen der Säulchen, die in guten
i) Es sei mir vergönnt, bei dieser Gelelegenheit noch einmal "(wie es in
diesen Blättern schon öfters geschehen ist) darauf aufmerksam zu machen, wie
vornehmlich die genaue und in genügender Grösse ausgeführte Darstellung der
architektonischen Profile für das Studium der Architektur und für die historische
Bestimmung der Monumente aus dunkleren Epochen von Wichtigkeit ist. Die
Grundrissformen kehren, mehr oder minder, in bestimmten Modificationen wieder,
auch die Ornamente geben zumeist keinen vollkommen sicheren Anhaltspunkt.
Die eigentlichen Glieder der Architektur aber, welche die Sprache des architek-
tonischen Gefiihles sind, verläugnen nie (und dies ist seit dem entferntesten Alter-
thum überall der Fall gewesen) den Geist der Zeit, in welcher sie gebildet wurden.
Erst wenn uns die nöthige Anzahl solcher Profilirungen von den verschiedensten
Monumenten vorliegt, werden wir im Stande sein, ein chronologisches System
der mittelalterlichen Architektur (welches wir noch keinesweges besitzen) mit
Sicherheit zu entwerfen.