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Kritiken.
Berichte und
Welt unter unsren Füssen ans Licht tritt, zu Muthe, wie der Kaiserstadt
RPM, deren Bewohner (nach den Worten des Kirchenvaters) erbebeten, als
die unzählbaren Schaaren der Christen aus den Katakomben hervor-gingen
und ein zweites Rom, welches unter den Füssen des ersten verborgen
gewesen war, sichtbar wurde?
Doch nicht allein in den allgemeinen geschichtlichen und vaterländi-
schen Beziehungen, auch in Rücksicht auf den Entwickelungsgztng der Kunst
an sich sind die Gegenstände dieser Sammlung von bedeutendem Interesse.
Sie gewähren uns, mit grösserer oder geringerer Vollständigkeit, einen
Ueberblick über eine der ersten künstlerischen Entwickelungsstufen, die in
sich jedoch ziemlich geschlossen und vollendet erscheint, und deren Aehn-
liches bei den Völkern des classischen Altertbums nur im geringsten Maasse
erhalten ist. Die Technik, d. h. die Art und Weise der Bearbeitung der
vorhandenen Stoffe, und der F ormensinn, der sich in diesen Gegenständen
ankündigt, beschäftigen den Beobachter in gleicher Weise. In den Thon-
gefassen der mannigfaltigsten Form, die für alle Bedürfnisse des Lebens
gearbeitet und vielleicht weil der ehemalige Besitzer auf das Einzelne
einen besonderen Werth legte mit der Asche des Verstorbenen in die
Erde versenkt sind, zeigt sich beides in gleich bedeutender eigenthümlicher
Vollendung. Die äusserste, gewiss höchst seltne Geschicklichkeit der Hand
erkennt man in allen Gefässen, die in Gegenden, wo kein römischer Ein-
iluss Statt fand, gearbeitet worden sind, indem diese sämmtlich ohne Bei-
hülfe der Drehscheibe (wie sich nach genauer Untersuchung ergiebt) verfer-
tigt und gar häutig in überraschender Eleganz ausgeführt sind. Jene schönen
Gefässe, namentlich von glänzender schwarzer Erde, deren Mehrzahl in
den Gegenden der Altmark ausgegraben ist, stehen auf keine Weise den
geschmackvollsten der altetruskischen Vasen von Chiusi u. a. O. nach, und
zeigen eine Feinheit und einen zarten Schwung des Protiles, der das beste
Zeugniss eines regen künstlerischen Sinnes giebt. In den Ornamenten frei-
lich, die einfach aus verschiedenartig punktirten und eingepressten Linien
und Streifen bestehen, erkennt man hier noch die vollkommen kindliche
Stufe der Kunst. Aehnlich auch verhält es sich mit den mannigfachen
Bronzearbeiten, die, wie sich aus sicheren Schlüssen ergiebt, ebenfalls im
Lande gearbeitet sein müssen und xnicht minder eine grosse Sicherheit in
der Behandlung des Erzes erkennen lassen. Ein ganz eigenthümlicher
Formensinn, der zwar wiederum die einfachsten Motive der Gestaltung
wählt, dieselben aber mit künstlerischem Gefühle anwendet und in grossem
Reichthume combinirt, spricht sich in den Verzierungen dieser Gegenstände
aus, in den mannigfachen Spiralen, welche die Arm- und Fingerringe zu
einem in die Augen fallenden Schmucke erheben, in den bunten, verschie-
denartigen Bildungen, in welchen die Fibeln, die die Gewande zusammen-
hielten, die Nadeln und andre Gegenstände des Schmuckes für Menschen
und Pferde erscheinen. U. dgl. m.
Wir erwähnten oben, dass die. hiesige Sammlung der germanisch-sla-
wischen Alterthümer eine der wichtigsten in ihrer Art sei: vielleicht
wird sie von keiner andern übertroffen. Schon die Anzahl der vorhandenen
Gegenstände beweist den Werth derselben: es sind im Ganzen beträchtlich
über 3000 Nummern, nahe an 2000 Thongefasse und über 1300 Arbeiten
in Metall, Stein u. s. w. So bietet auch eine jede Classe, in welche der
Gesainmtvorrath zerfällt, eine zahlreiche Folge von Gegenständen, und 1m
Einzelnen findet sich wiederum höchst Werthvolles, in technischer S0 Wie