Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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und 
Berichte 
Kritiker 
selben auf den Sinn des Beschauers ist demnach sehr bedeutend; sie wird 
durch die würdige Anordnung in den wichtigsten Theilen der Composition. 
noch mehr gehoben. Vornehmlich sind die beiden Gruppen von _je drei 
Heiligen zu den Seiten der Madonna in Rücksicht auf ihre grossartig ruhige 
Gesammtanordnung, auf die Leichtigkeit, mit welcher diese Figuren im 
engen Raume bequem neben einander stehen, rühmlich zu erwähnen; diese 
Anordnung bildet das schönste Mittclglietl zwischen jener alterthümlich 
feierlichen, aber steifen Aufstellung der Figuren und der späteren Weise, 
welche die Ruhe des Ganzen und die Symmetrie aufzuheben beginnt. So 
zeichnen sich auch die einzelnen dieser Gestalten, bei mannigfach verschie- 
dener Haltung und Geberde, in einer schönen, der statuarischen Gemessen- 
heit verwandten Weise,  namentlich die beiden Mitteliiguren dieser Grup- 
pen, Benedict und Antonius, beide in feierlichen weissen Mönchsgewändern, 
und Catharina, welche zur Rechten kniet. So ist ebenfalls die Gewandung 
an ihnen in schöner Stylisirung behandelt, während man sonst bei Andrea's 
späteren Werken nicht selten (auch hier in der Halbiigur des heiligen 
Celsus) eine flachere, mehr willkührliche Manier in diesem Theile der 
künstlerischen Technik bemerkt. Doch treten bereits in der Composition 
des Ganzen einige minder ansprechende Motive entgegen. Zunächst in 
Bezug auf die Madonna. Zwischen den beiden genannten Gruppen, vor 
einer nischenformigen Architektur, schwebt sie, sitzend, von einem Wolk- 
chen und zwei kleinen Cherubimköpfen getragen, in der Luft. Diese 
Anordnung erweckt in dem Beschauer ein doppelt unbehagliehes Gefühl; 
man begreift nicht, wie diese volle kräftige Gestalt, die in fester Stellung 
sitzt und nichts von dem Charakter eines schwebenden Wesens hat, sich 
auf jenem dünnen Wölkehen halten könne, und man findet zugleich den 
"Raum zwischen den beiden lleiligengruppen zu beengt, als dass eine schwe- 
bende Gestalt sich darin ohne Unbequemlichkeit bewegen könnte. Eine 
solche Befangenheit in der Anordnung desjenigen Theiles heiliger Compu- 
sitionen, der der Intention nach gerade die grossartigste Wirkung machen 
sollte, findet sich übrigens auch noch anderweitig bei Andrea del Sarto 
(auch bei Fra Bartolommeo,  und darauf scheint-sich zum Theil Lanzi's 
oben mitgetheilte Vergleichung zu beziehen), wie namentlich in seiner 
Madonna di San Francesco, in der Tribune zu Florenz, wo die Madonna 
auf einem kleinen Altärchen steht und, zumal bei der lebhaften Bewegung 
des Kindes, sehr für die Sicherheit ihrer Stellung fürchten lässt. Bei unserem 
Bilde ist diese Anordnung um so befremdlicher, als sie mit den ruhigen 
Seitengruppexi so bedeutend contrastirt. Dann möchte ich auch die Hinzu- 
fügung der colossalen Halbiiguren im Vorgrunde, vor den Stufen, darauf 
die übrigen Heiligen stehen, nicht gerade rühmen. Sie sind äusserlich 
hinzugekommen, erwecken das unbehagliche Gefühl eines mangelhaften 
Abschlusses und zeigen die Absichtlichkeit, jenen von Lanzi erwähnten 
Effekt hervorbringen zu wollen. 
Soviel über die Composition und das Aeussere des Bildes. Betrachten 
wir nun, wie es sich mit dem mehr Innerlichen desselben, mit dem Cha- 
rakter und dem Ausdruck der dargestellten Figuren (sofern sich diese 
beiden Eigenschaften bei ruhigen, ohne besondere Handlung zusammenge- 
stellten Figuren scheiden lassen) verhält. In Bezug auf charakteristische 
Darstellung finden wir in diesem Bilde einige vorzügliche und gewiss auch 
nicht zu häufig vorkommende Schönheiten, vornehmlich in den, zur Linken 
des Beschauers befindlichen drei Heiligen. Petrus, im Hintergründe, zeigt
	        
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