Deukmale
des Mittelalters
der Baukunst
Sachsen
etc.
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Theile des Gebäudes. Die letztgenannten 'l'afeln sind ausgeführte Litho-
graphieen, trefflich aufgefasst und zum Theil von vorzüglicher Wirkung.
Das Gebäude hat nach seiner Erbauung wellig Veränderungen erlitten;
im Inneren ist namentlich als solche nur das später hineingesetzte Gewölbe
zu betrachten. Der Grundriss weicht im Wesentlichen nicht von den
kleineren Kirchen des byzantinischen Styles ab , doch ist die Anlage der
beiden Thürme auf der Westseite, die wenigstens nicht häufig gefunden
wird, beachtenswerth; leider ist der obere Freibau dieser Thürme nach-
rnals zerstört und durch ein unpassendes Dach ersetzt worden. Das Schiif
wird von den Seitenschiiien durch viereckige Pfeiler (mit Halbkreisbögen
überwölbt) getrennt, welche sich durch eigenthümliche Eckverzierungen
auszeichnen: und zwar, abwechselnd, durch kleine Säulchcn, welche in die
Ecken der Pfeiler eingelassen sind, oder durch Auskehlungen mit einer
eigenthümlichen Stabverzierung von geschwungenem Profil, welche oben
und unten unmittelbar in die Ecke übergeht. Diese zarte Gliederung dient
zu einer anmuthigen Belebung der starren und kunstloseu Pfeilerformen.
Eigenthümlich ist auch die unter den Thürmeu befindliche, von den nächst-
Stehenden Pfeilern des Schiffes und einer reichornamentirten Säule gebil-
dete Halle mit darüber angeordneter Empore. Auf der Nüfdßßitß 1168
Gebäudes befindet sich das Hauptportal mit reich geschmücktem Vorbau:
Pfeiler, um welche sich zierliche, verschiedenartig ornamentirte Säulchen
umhergruppiren, mit geschmackvoll ausgekehlten Bögen und eigenthüm-
liehen symbolischen Sculpturen über den beiden Thüren, die vom Heraus-
geber sinnreich ausgedeutet werden.
Wenn schon das Gebäude selbst in seiner vorherrschenden Integrität
ein bedeutendes Interesse des Beschauers erweckt, so ist dies noch in
ungleich höherem Grade der Fall in Bezug auf die Kanzel, das Weihwas-
serbecken und den Altarschmuck, welche sich ganz in ihrer ursprünglichen
Anlage, aus der Zeit des Baues selbst erhalten haben. Dies sind höchst
wichtige Beispiele für die Kunstübung des früheren Mittelalters in unsren
Gegenden; sie gewähren uns eine erfreuliche Anschauung von denjenigen
Gegenständen, über die wir bisher nur nach den nicht zureichenden Orna-
mentzeichnungen in Handschriften aus jener Zeit urtheilen konnten, und
sind um so bedeutsamer, als sie bereits eine ungewöhnliche Entwickelung
des künstleriehen Vermögens verrathen.
Das Weihwasserbecken gleicht in seiner Hauptform einer kurzen Säule
byzantinischen Styles. Die Kanzel, ganz von Stein erbaut, dürfte zunächst
den Ambonen der alten italienischen Basiliken parallel zu stellen sein;
doch ist der Styl, in dem sie ausgeführt, ganz der Bauweise der in Rede
stehenden Kirche entsprechend: das starkausladende Gesims des Unter-
banes wird vorn von zwei verschiedengebildetcn Säulen getragen, die Treppe
führt von hinten zu der Brüstung empor. Die Aussentlächen sind reich
mit Reliefsculpturen geschmückt, und von diesen gilt es vornehmlich, was
S0 eben über die Trefiiichkeit der Ausführung bemerkt wurde. In der
That zeigen sie, bei noch entschiedenem Vorherrschen des byzantinischen
Styles, eine Grazie der Bewegung, eine Freiheit und Reinheit der Linien-
führung, die im höchsten Grade frappiren muss. Zur Erklärung dieser
merkwürdigen Erscheinung stellt Hr. Stieglitz, in der genannten geschicht-
lichen Einleitung, die Vermuthung auf, dass diese Sculpturen von italieni-
schen Künstlern oder von Deutschen, die sich i" Italien gebildet, herrühren
dürften. Ich kann diese Ansicht nicht wohl unterschreiben. Die bildende