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Berichte und Kritiken.
wichtigsten Monumente begründet, da z. B. die Säule des Parthenon etwa
dieselbe Höhe hat, wie die des genannten Jupiter-Tempels, und doch nicht
die übertrieben leichten Verhältnisse des letzteren mit sich führt; sie ist
auch nicht durch Vitruv bestätigt, da dieser bei grösseren Dimensionen der
Säule gerade umgekehrt ein vermehrtes I-Iöhenverhältniss des Architravs
(somit des gesammten Gebälkes und auch des Capittiles) fordert (l. ]II,
c. sie beruht endlich im Wesentlichen auch nicht auf ästhetischen
Principien. Das Ornament dürfte allerdings nach den verschiedenen Grös-
senverhältnissen zu modificiren sein: die Formation der einzelnen Archi-
tekturtheile geht aber wesentlich nur aus ihrem gegenseitigen Verhältniss
hervor, darauf die relative Grösse des Ganzen keinen Einfluss ausüben
kann. Nur dann, wenn man kein andres Gesetz für die Bildung der
Formen gelten lassen will, als das materielle des Stoffes, ist jene Ansicht
als die richtige aufzustellen.
Bei Gelegenheit der Ordnung der Propyläen von Eleusis wird wiederum
eine bemerkenswerthe Notiz über die nach aussen gekehrte Ante dieses
Gebäudes mitgetheilt, die aber ebenfalls nicht als allgemeines Gesetz
gelten dürften
T. 19. Muster ionischer Ordnung: von dem kleinen Tempel am
Ilissus, von dem viersäuligen Porticus am Erechtheum, vom T. der Minerva
Polias zu Priene. Diese Zusammenstellung hat denselben Zweck wie die
des vorigen Blattes; auch hier ist vornehmlich auf die Anten-Construction
Rücksicht genommen.
T. 20. Ionische Thüre vom viersäuligen Porticus am
E re chtheion. Dies eigenthümliche Prachtwerk der griechischen Archi-
tektur, welches bei uns im Ganzen noch wenig bekannt ist, wird hier nach
Donaldson's Collection of the most approved Exampels for Doorways,
from ancient Buildings, mitgetheilt. Eine Skizze des Ganzen, Zeichnungen
und Durchschnitte der prachtvollen Details in genügender Grösse (deren
einige auch auf dem folgenden Blatt enthalten sind), und genaue Berech-
nungen der einzelnen Maassverhältnisse unterrichten auf's Zweckmässigste
über die eigenthümliche Beschaffenheit dieser Thüre. Sehr richtig bemerkt
der Herausg. dabei, dass, trotz der hohen Anmuth in den verschiedenen
Details der Thüre des Erechtheums, doch bedeutende Missverhältnisse in
Betreff ihrer gegenseitigen Grössenverhältnisse obwalten, und dass die
gesammte Thür somit der späteren Vollendungszeit des Baues zuzuschreiben
sein dürfte. Nur den einen unter den Gründen, die der Herausg. hiefür
anführt, dass nemlich die Sima (der sogenannte Rinnleisten) hier ohne con-
structive Motivirung vorhanden sei, kann Referent nicht gelten lassen. Die
Sima wird in der griechischen Architektur wesentlich nur als Bekrönung
des Ganzen angewandt; jener materielle Zweck der Ableitung des Regen-
wassers ist erst von späteren Technikern hineingelegt; sie ist demnach
auch als Thürbekrönung ganz passend, auch wenn da kein Wasser abzu-
leiten ist, und ihr Vorhandensein an solcher Stelle ist an sich kein Beweis
späterer Ausartung.
T. 21. Einzelnheiten vom Erechtheion. Ausser den bereits
erwähnten Einzelnheiten der Prachtthür, enthält dies Blatt zunächst eine
detaillirte Zeichnung der verschiedenen, reich ornamentirten Antencapitäle,
welche der Herausgeber nach den Gypsabgüssen der Originale selbst genom-
men und die sich durch eine ungleich reinere Auffassung der griechischen
Formen, als diese bei Stuart und Normand gegeben sind, auSZeiChnel.