von
Weri nher
Tegernsee
Ülu,
Der Pfalfe heisset Wernher,
Der des Liedes begann
Der ist auch von Christo
Zu einem Evangelisten
Gesegnet und geweihet.
Evangelist bedeutet im Gegensatz des Epistlers einen Diaconus,
dessen Amt es war, das Evangelium zu verlesen und zu erklären. Auch giebt
er am Schlusse des Gedichtes genau die Zeit der Abfassung desselben an:
Da die Zeit des Schisma
Dreizehn Jahre bestanden war
Bei dem Papst Alexander,
Dass die drei andern Herren
Ihm bestritten den Stuhl,
Dass er führerlos fuhr
Auf dem Land und auf dem Meere
Mit gar geringem Heere;
Da die römischen Reiche
Stunden gewaltiglich
ln des Kaisers Friedrichs Hand
Und er Polen das Land
Bezwang mit Heerfahrt,
Da ihm Gott Sieg gewährte,
Da wurden die Lieder alle drei
Gedichtet unter dessen.
Dies ist das Jahr 1173, in welchem Friedrich l. einen Zug nach Polen
machte 1). Denn obschon das Scliisma bereits 1159 begonnen hatte, so
waren doch erst zu Anfang des Jahres 1173, als der Dichter diese Notiz
niedersehricb, dreizehn Jahre vertlossen, weil nemlich die Wahl Alexan-
ders Ill. und seines Gegenpapstes Victor 1I. erst gegen das Ende des Jahres
1159 vor sich gegangen war.
Weitere Angaben über den Dichter sind uns zwar nicht gegeben; doch
dürfen wir nicht zweifeln, dass derselbe mit jenem Scholasticus Werinher
von Tegernsee ein und dieselbe Person sei, da man sich, wie wir bereits
oben gesehen haben, in Tegernsee mit der nationellen deutschen Poesie
beschäftigte; da sonstige poetische Arbeiten Werinhers, selbst eine Art
Anleitung zur Poesie von ihm vorhanden sind, uns aber von einem andern
oberdeutschen Dichter Wernher zu dieser Zeit nichts bekannt ist; da in
den gleichzeitigen Tegernseer Manuscripten selbst eines Diaconus WVerinher
Erwähnung geschieht; und da endlich der Dichter des Lebens der Maria
die bei der damaligen Kirchenspaltung gewiss höchst seltene Ansicht des
Abtes Rupert von Tegernsee zu theilen scheint, der, wie wir sahen, dem
Papste Alexander in kirchlichen, dem Kaiser in weltlichen Dingen gleich
treu ergeben war und mit beiden befreundet blieb; denn er giebt in den
angeführten Schlussversen nur dem Alexander, nicht dessen drei Gegnern,
den „drei andern Herren," den Titel des Papstes; und spricht zugleich mit
hoher Achtung vom Friedrich?)
4) Godefridi, 1n0nachi SV Pantaleonis apud Oolon. Agripp, annales bei Ifre-
her, Svript. Rer. Germ. 1., p. 333. Vergl. v. Büuau, Leben und Thaten Fxzwd-
richs I., S. 222. 2) Ebenso, wie auch der Dichter des Osterspiels die kaxser-
liche hlacht hoch verehrt.