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Berichte
Kritiken.
und
gestellt hat, ist auch die Anordnung des vorliegenden durchgeführt. Wenn
bei Normand im Ganzen die Muster der römischen und spätitalienischen
Architektur mehr als die der griechischen berücksichtigt worden sind, so
lässt es Hr. Manch sich im Gegentheil angelegen sein, die reinen und ori-
ginalen Formen der letzteren, welche für die Bildung und Schärfung des
künstlerischen Sinnes ungleich grössere Vortheile darbieten, vorzuführen
und zugleich die einfachen und gesetzlichen Principien ihrer technischen
Construction- soweit uns hierüber genauere Kenntnisse zugekommen sind
zu entwickeln. Es ist erfreulich, dass diese Hefte (denen sich noch zu
Erwartendes anschliessen soll) somit nach und hach eine Uebersicht über
das vorzüglich Wissenswerthe der classischen Architektur-Formen in zweck-
mässiger Kürze darlegen werden. Wir betrachten die einzelnen Gegen-
stände des zweiten Heftes.
Das Titelblatt desselben enthält einen freien Versuch des Herausgebers,
die Farbenanwendung bei den Werken der griechischen Architektur in
ihrem Zusammenhange darzustellen. Es ist eine Halle mit drei weiblichen
Karyatiden, dorischer, ionischer und corinthischer Ordnung, eine Compo-
sition, die der Herausgeber bei Gelegenheit eines Künstlerfestes, wo die
verschiedenen Künste durch lebende Bilder vorgeführt wurden, entworfen
hat. Das Ganze zeigt sich hier nicht ohne eigenthümlichen Reiz; eine
zierlich durchbroehene, vergoldete Akroterie bildet die Bekrönung, und
ein gelblicher Farbenton, welcher den Hauptmassen der Architektur gegeben
ist, vermittelt auf einfache Weise die verschiedenfarbigen Gliederungen.
Die Steinzeichnung (von Asmus) und ebenso der, durch 8 Platten beschaffte
Druck ist sehr sauber ausgeführt.
Tafel 16 ünd 17. Dorische Ordnung vom Tempel der Neme-
sis zu Rhamnus. Sämmtliche Details dieses interessanten Gebäudes
sind hier im engsten Raume vorgeführt. Dasselbe ist vornehmlich wichtig
in Bezug auf die Construction des Gebälkes und der Dachdeckung, welche
die "unedirten Alterthümer von Attika" (daraus der Herausgeber die Zeich-
nungen entnommen) in grösster Ausführlichkeit mittheilen. Der Heransg.
weist den eigenthümlich zweckgemässen Zusammenhang dieser Construction
und seinen Einfluss auf die Formation des inneren Gebälkes mit Ansehau-
lichkeit nach. Interessant ist das Resultat, welches sich hieraus für die
Gestaltung der Ante des Posticum's bei diesem Tempel ergiebt. Nachdem
er nemlich den Umstand. besprochen, dass der Architrav aus zweien hoch-
kantig neben einander gelegten Steinbalken (einem äussercn und inneren)
bestehe, fährt er so fort: „Am Posticum stehen die Anten und Säulen des
Opisthodomus nicht im Alignement mit den Säulen der langen Seiten, daher
der Architrav darüber auch nicht (wie dies beim Pronaos der Fall ist) in
Zusammenhang mit dem des Peristyls gebracht werden konnte, weil er
keine Säule zum nöthigen Auflager daselbst gefunden hat. Hier musste
also der Arehitrav sich um die Ecke der Cella wenden und sollte daran
weiter fortlaufen, da aber jedoch über einer Mauer kein Architrav erfor-
derlich ist, so sieht man daselbst nur noch die Stirnfläche des äusseren
Architravbalkens ein wenig vorspringend. Der. innere Balken ist um des
besseren Verbandes willen schon in dem Mauermittel abgeschnitten. In
dieser Anordnung liegt der Grund, warum die Ante an der äusseren Seite
nur halb so breit gemacht wurde, als an der inneren, wo der ganze Archi-
trav auf ihr ruht. Sobald aber der Architrav über die Ante hinläuft, muss
sie auf beiden Seiten seiner Breite entsprechen." Als Beispiel eines ähn-