Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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und 
Berichte 
Kritiken. 
Das in der Ueberschrift genannte Werk darf in diesem Bezuge als 
Muster aufgestellt werden. Dasselbe macht uns ausführlich mit einem 
Gebäude und dessen Monumenten bekannt, welches eine der wichtigsten 
Stellen in der Geschichte der deutschen Kunst einnimmt, welches die Thätig- 
keit und die Sinnesweise einer langen Reihe von Jahrhunderten dem Auge 
des Beschauers darlegt und den verwüstenden Stürmen, die mannigfach 
über dasselbe hereingebrochen, in ruhiger Majestät Trotz geboten hat. Der 
Verfasser spricht mit Wärme und mit grosser Liebe zu seinem Gegenstaude, 
ohne dass ihm diese jedoch, wie es nur zu häufig bei Lokalscribenten der 
Fall ist, die Aussicht in die Ferne und Weite, zur Feststellung seines 
Standpunktes, verwehrt hätte. 
Die Schrift zerfällt in drei Abtheilungen. Die erste behandelt die 
Geschichte des Domes. Mit übersichtlicher Genauigkeit sind hier sämmt- 
liche Begebenheiten mitgetheilt, welche von der ersten Erbauung desselben, 
die im J. 978 begann, bis auf die in unsren Tagen vollendete Restauration 
fördernd oder gefährdend auf das Gebäude eingewirkt haben. WVas Hoch- 
herzigkeit und religiöser Eifer begonnen, sehen wir hier, trotz der vernich- 
tenden Wuth der Elemente und der rohen Barbarei meuterischer Horden, 
immer aufs Neue mit demselben Eifer aufgenommen, immer aufs Neue zur 
erfreulichsten Vollendung durchgeführt. Der Verf. weist, indem er sich 
mit wohlbegründeter Kritik auf die Beschaffenheit der einzelnen Theile 
des verschiedenartig zusammengesetzten Gebäudes stützt, die Spuren eines 
jeden Neubaues, einer jeden einzelnen Restauration nach. Auf das Einzelne 
dieser interessanten Angaben können wir hier nicht weiter eingehen und 
bemerken nur, dass für die Entwiekelungsgeschichte der deutschen Archi- 
tektur die allmählig steigende (zum Spitzbogen geneigte) Ueberhöhung der 
Gurtbögen, welche bei den zwischen 1190 und 1230 aufgeführten Gewölben 
und bei übrigens noch vollkommener Anwendung des sog. byzantinischen 
Styles Statt findet, vornehmlich beachtenswerthe Resultate liefert 1). 
Die zweite Abtheilung enthält die Beschreibung des Gebäudes, die 
dritte die Beschreibung der in demselben vorhandenen Denkmäler und 
Kunstschätze. Auch letztere geben, soviel Einzelnes auch verstümmelt oder 
gänzlich vernichtet worden ist, noch immer eine bedeutende Reihe von 
Belegen für die Entwiekelungsgeschichte der deutschen Kunst. Wichtiger 
jedoch dürfte noch das allgemein geschichtliche Interesse sein, welches diese 
Denkmäler dem Beschauer gewähren. Sehr schön sagt der Verf, in diesem 
Bezuge: "Der hohe Rang und die historische Wichtigkeit der Männer, wel- 
chen die meisten Denkmäler gewidmet sind, erheben den Dom zu einer 
Art von Pantheon der deutschen Geschichte. Man kann die mächtigen 
Hallen des Domes nicht durchwandern, ohne der Gegenwart entrückt und 
im Geiste in die thatenreiche Vorwelt versetzt zu werden; man kann die 
von allen Seiten hervortretenden Steinbilder so vieler Fürsten nicht schauen, 
ohne an die wichtigsten Ereignisse, die bedeutendsten Momente der deut- 
schen Geschichte erinnert zu werden, und ohne die hehren Gestalten vieler 
weiser, zum Theile grosser Regenten aus der Nacht der Jahrhunderte 
1) Ich bedaure, dass der Veril, der den ganzen östlichen Chor als den Rest 
des ersten Baues vom Ende des 10. Jahrhundert erklärt, nicht auf die grosse 
Verschiedenheit des Materiales, woraus dieser Chor (in vier verschiedenen Ab- 
sätzen) gebaut ist, Rücksicht genommen und dieselbe mit den historischen Daten 
in Uebereirlstirnmung zu bringen gesucht hat. Eine nähere Angabe dieses Um- 
standes habe ich bereits kürzlich, bei anderer Gelegenheit, mitgetheilt.
	        
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