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Italienische
Studien
Heiligen an der genannten Stelle gefunden wurden, ergab es sich, dass dem
Gentile dies sorgfältig verschwiegene Geheimniss bekannt sein musste 1).
Dass Gentile sich aus der Heimath nach Venedig begeben habe,
scheint aus dem hervorzugehen, was uns die venetianischen Historiker von
ihm berichten. Zwar nehmen einige an, dass diese Reise, die mit Sicher-
heit durch die Geschichte der Kunstwerke jenes Staates feststeht, für die
zweite zu halten sei, welche Gentile dahin unternommen habe; doch ist
diese Meinung vielleicht nur aufgestellt, um den Unterricht, den er dem
Jacopo Bellini bereits vor dem Jahr 1421 ertheilte, hiemit in Einklang zu
bringen. Mir scheint es im Gegentheil mit der gewöhnlichen Sitte mehr
überein zu stimmen, dass der Schüler zu jener Zeit sich dahin begeben
habe, wo der Meister malte, d. h. vermuthlicli nach Florenz, als dass letz-
terer zum Jacopo, nach Venedig, gekommen sei. Jedenfalls ist über jene
frühere Reise, die bereits in der Blüthe seiner Jugend stattgefunden haben
müsste, kein Zeugniss in der venetianischen Schule vorhanden; und wollte
man sie gelten lassen, so würde man eine solche Verwirrung in die chro-
nologischen Entwickelungsverhältnisse des Gentile bringen, dass man alle
sichere Spur aufgeben müsste. Für die Reise aber, von der wir sprechen,
bleiben uns im Gegentheil bei den Schriftstellern über die Denkmale Vene-
digs unzweifelhafte Zeugnisse" und die einzigen, auf die sich ein Biograph
mit Sicherheit verlassen kann.
Unter diesen nimmt Ridolti 2) eine Elauptstelle ein. Er erzählt uns,
wie Gentile in dieser Stadt den Auftrag erhielt, zwei grosse Altartafeln zu
malen, die eine für die Kirche S. Giuliano, die andre für S. Felice,
auf welcher letzteren er die beiden heiligen Eremiten Paulus und Antonius
darstellte. Dass er sodann einige andre Gemälde für öffentliche und Privat-
Gebäude gefertigt habe, ergiebt sich aus den Nachrichten, die uns über
die Kunstwerke, welche diese glänzende Herrscherstadt in sich einschloss,
geblieben sind. Ich kann nicht genug sagen, mit welcher Sorgfalt ich, in
Folge solcher Notizen, nachgeforscht habe, ob dort vielleicht Einzelnes von
den Werken des Gentile erhalten sei; auch begünstigte mich ein gutes
Glück, so dass ich ein anderes bedeutendes Gemälde von ihm, sorgfältig auf-
bewahrt, im Besitz des Herrn Caglietto, eines eifrigen Sammlers guter
Bilder, vor-fand. Auf dieser Tafel, die 1 Metre 7.97 Centimetres lang und
1 Metre 145 Centimetres breit ist 3), hat unser Künstler zum zweiten Mal
Die Zeugnisse, welche mir Hr. Ranaldi zur Begründung des Obigen mit-
getheilt hat, bestehen zunächst in" folgender handschriftliche! Notiz: Storia
Settempedana del Cav. Valerio Oancellotti, Manoscritto, Capitolo delV
invenzione de! Oorpo di Sanseverino: „IL 15. Maggio 1576 . . corrispondeva.
"ü luogo verso la ßgura dipinta nella detta parete di S. Tomaso Apostolo che
"toccava col dito ü lato ferito di N. S. G. O. aveva opinione il popolu per una
„certa tradizione, che il corpo del Santa si comervasse nella sua chiesa . .
„Laonde molti pensarono, ehe fasse riposto sopm una dclle colonne chc sostene-
„vano la tribuna delf altare maggiore e dava materia di crederlo, trovandosi
nsulla parete sostenuta dalle dette colonne dipinta 1a vita cli S. Severino e la
nsua traslazione, con Fistorie e penitenzc di S. Vittorino: Opera di Gentile
Ulla Fabriano pittore eccellente di quelF etä Sodann in den beiden
gedruckten Werken: Severano: Memorie Sacre delle Seite chiese di Roman.
Parte I. Roma pei Moscardi, 1630. M arangoni: Acta S. Victorim" Ejriä.
Amit. et Martin's. Romae, 1740. 2) Le Maraviglie dell" arte ovvero la vita
degli illustri pittori Veneti e dello stato. Venezia 1648. 3) [Diese Angabe