394
Studien.
Italienische
stadt ausgeführt hat. Die Liebe zur Heimath, oder vielleicht eine besondere
Einladung der Mönche von Valle Romita, hatte ihn, als er in der Nähe
arbeitete, dorthin zurückgeführt. Er malte das Bild für die Kirche der
genannten Mönche ausserhalb der Stadt, wo es unter dem Namen des
„Quadro della Romita" bekannt war; vor nicht vielen Jahren aber wurde
es seiner ursprünglichen Stelle entrissen und in ein fernes Land entführt.
ohne dass man sogar heutiges Tages den Besitzer desselben namhaft zu
machen wüsste 1). Bei diesem traurigen Ereigniss hielt man es noch für
ein Glück, dass die fünf kleinen Gemälde, welche die genannte 'l'afel
umgaben, gerettet werden konnten; doch habe ich erfahren, dass eins von
diesen durch einen Orientalen erstanden wurde, der es ebenfalls aus unsrem
Vaterlande hinweggeführt hat. Wie lange wird bei uns, die wir freilich
arm an allen andern Dingen, aber die reichsten an Gegenständen der Kunst
sind, diese Barbarei des Handels währen, welcher gegen das elende Geld
des Fremden die edelsten, unschätzbarsten Dinge, die, einmal verloren, auf
immer verloren sind, auszutauschen wagt ? Die vier andern kleinen Bil-
der, welche der vorgenannten Altartafel angehörten, sind indess vor diesen
Bcraubungen geschützt geblieben. Sie wurden von Hrn. Carlo Rosei zu
Fabriano erworben, der, wie in vielen Fächern des Wissens erfahren, so
auch als ein vorzüglicher Kenner von den Gegenständen der Kunst, mit
treuer Sorgfalt bemüht war, diese Werke, die sich im Besitz cines seiner
Mitbürger erhalten hatten, vor neuen Gefahren in Obhut zu nehmen. Diese
kleinen Bilder sind ungefähr 2'[2 Palmen hoch und IV, Palmen breit. In
dem ersten sieht man den Kopf des heiligen Franciscus gemalt, im zweiten
den des heiligen Hieronymus, im dritten den des heiligen Petrus Martyr,
im vierten sieht man einen sitzenden lesenden Mönch dargestellt. Jede
dieser Figuren hat ein bewunderungswürdiges Leben und ist mit einer
solchen Zartheit beendet, dass sie es wohl erkennen lassen, welche Schön-
heiten in dem Hauptbilde hervortreten mussten, wenn so vorzügliches
bereits in den Resten seiner Einfassung sichtbar wird. Auch ist es schon
bemerkt. dass Biondo, in 'seiner Beschreibung der schönsten Kunstgegen-
stände, die sich in Italien zu seiner Zeit befanden, uns versichert, dass
dieses Bild so ausserordentliche Vorzüge besass, dass es für eines der
allerschönsten, die überhaupt vor seiner Zeit gesehen worden waren, gelten
musste: so dass man keinen Anstand nehmen darf, dem Grentile den ersten
1) [Der Verfasser äussert in der Anmerkung: das Bild sei zur Zeit des
italienischen Königreiches nach Mailand gekommen. Vermuthlich ist es dem-
nach dasselbe Gemälde Gentilds, welches, unter den Werken der ehemaligen
Central-Gallerie von Mailand, in Kupfer gestochen ist: s. Pinacoleca de! palazzo
reale dclle scienze e delle arti di Milrzno, pubbl. da Micchele Bisi etc. Milano
1812-38; Scuola Romana, No. V11. Das Bild stellt die Krönung Mariä dar.
Maria und Ohristussitzen neben einander in einer Flammenglorie; Christus setzt
ihr die Krone auf's Haupt. Sie neigt sich, mit auf der Brust gekreuzten Händen,
in überaus siisser, holdseliger Geberde. Zwischen beiden erblickt man die Taube
des heiligen Geistes. Ueber ihnen Gott-Vater, in halber Figur, der sie, wie es
scheint, segnet, in einem Kreise von Cherubim. Unten ist der gestirnte Himmel
und eine Art gewölbten Bogens (wohl der Regenbogen), darauf acht kleine Engel,
meist knieend, mit verschiedenen musikalischen Instrumenten. Das Bild ist
1,57 Metres hoch und 80 Qentimetres breit. Das Ganze scheint wohl dem zar-
ten, schönen Charakter Gentilnfs zu entsprechen; namentlich sind die Madonna,
und auch die weichen Formen des Kopfes im Gott-Vater, völlig in Seiner Art.
A. d. Uebs]