Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Studien. 
Italienische 
stadt ausgeführt hat. Die Liebe zur Heimath, oder vielleicht eine besondere 
Einladung der Mönche von Valle Romita, hatte ihn, als er in der Nähe 
arbeitete, dorthin zurückgeführt. Er malte das Bild für die Kirche der 
genannten Mönche ausserhalb der Stadt, wo es unter dem Namen des 
„Quadro della Romita" bekannt war; vor nicht vielen Jahren aber wurde 
es seiner ursprünglichen Stelle entrissen und in ein fernes Land entführt. 
ohne dass man sogar heutiges Tages den Besitzer desselben namhaft zu 
machen wüsste 1). Bei diesem traurigen Ereigniss hielt man es noch für 
ein Glück, dass die fünf kleinen Gemälde, welche die genannte 'l'afel 
umgaben, gerettet werden konnten; doch habe ich erfahren, dass eins von 
diesen durch einen Orientalen erstanden wurde, der es ebenfalls aus unsrem 
Vaterlande hinweggeführt hat. Wie lange wird bei uns, die wir freilich 
arm an allen andern Dingen, aber die reichsten an Gegenständen der Kunst 
sind, diese Barbarei des Handels währen, welcher gegen das elende Geld 
des Fremden die edelsten, unschätzbarsten Dinge, die, einmal verloren, auf 
immer verloren sind, auszutauschen wagt ?  Die vier andern kleinen Bil- 
der, welche der vorgenannten Altartafel angehörten, sind indess vor diesen 
Bcraubungen geschützt geblieben. Sie wurden von Hrn. Carlo Rosei zu 
Fabriano erworben, der, wie in vielen Fächern des Wissens erfahren, so 
auch als ein vorzüglicher Kenner von den Gegenständen der Kunst, mit 
treuer Sorgfalt bemüht war, diese Werke, die sich im Besitz cines seiner 
Mitbürger erhalten hatten, vor neuen Gefahren in Obhut zu nehmen. Diese 
kleinen Bilder sind ungefähr 2'[2 Palmen hoch und IV, Palmen breit. In 
dem ersten sieht man den Kopf des heiligen Franciscus gemalt, im zweiten 
den des heiligen Hieronymus, im dritten den des heiligen Petrus Martyr, 
im vierten sieht man einen sitzenden lesenden Mönch dargestellt. Jede 
dieser Figuren hat ein bewunderungswürdiges Leben und ist mit einer 
solchen Zartheit beendet, dass sie es wohl erkennen lassen, welche Schön- 
heiten in dem Hauptbilde hervortreten mussten, wenn so vorzügliches 
bereits in den Resten seiner Einfassung sichtbar wird. Auch ist es schon 
bemerkt. dass Biondo, in 'seiner Beschreibung der schönsten Kunstgegen- 
stände, die sich in Italien zu seiner Zeit befanden, uns versichert, dass 
dieses Bild so ausserordentliche Vorzüge besass, dass es für eines der 
allerschönsten, die überhaupt vor seiner Zeit gesehen worden waren, gelten 
musste: so dass man keinen Anstand nehmen darf, dem Grentile den ersten 
1) [Der Verfasser äussert in der Anmerkung: das Bild sei zur Zeit des 
italienischen Königreiches nach Mailand gekommen. Vermuthlich ist es dem- 
nach dasselbe Gemälde Gentilds, welches, unter den Werken der ehemaligen 
Central-Gallerie von Mailand, in Kupfer gestochen ist: s. Pinacoleca de! palazzo 
reale dclle scienze e delle arti di Milrzno, pubbl. da Micchele Bisi etc. Milano 
1812-38; Scuola Romana, No. V11. Das Bild stellt die Krönung Mariä dar. 
Maria und Ohristussitzen neben einander in einer Flammenglorie; Christus setzt 
ihr die Krone auf's Haupt. Sie neigt sich, mit auf der Brust gekreuzten Händen, 
in überaus siisser, holdseliger Geberde. Zwischen beiden erblickt man die Taube 
des heiligen Geistes. Ueber ihnen Gott-Vater, in halber Figur, der sie, wie es 
scheint, segnet, in einem Kreise von Cherubim. Unten ist der gestirnte Himmel 
und eine Art gewölbten Bogens (wohl der Regenbogen), darauf acht kleine Engel, 
meist knieend, mit verschiedenen musikalischen Instrumenten. Das Bild ist 
1,57 Metres hoch und 80 Qentimetres breit. Das Ganze scheint wohl dem zar- 
ten, schönen Charakter Gentilnfs zu entsprechen; namentlich sind die Madonna, 
und auch die weichen Formen des Kopfes im Gott-Vater, völlig in Seiner Art. 
A. d. Uebs]
	        
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