Weriulner
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etc.
Tegernsee
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selbst eine, einem Mönche nicht eben völlig zukommende Uebung in der
Abfassung von Liebesbriefen, von seiner Hand, erhalten. Hievon wird
weiter unten die Rede sein.
Werfen wir nunmehr einen Blick auf Werinhers Wirksamkeit und seine
Leistungßü, S0 erscheint auch er uns zunächst als ein Mann klassisch ge-
lehrter Bildung. Er spricht sich gelegentlich darüber aus, dass man, um
einen guten lateinischen Styl zu schreiben, nicht den barbarischen Vorschrif.
ten des Mönches Albcricus, den der Bischof Benno von Meissen als den
bcredsamstcn Mann seiner Zeit geschildert hatte, folgen, sondern sich nach
Priscians grammatischen Institutionen und nach Cicero, Macrobius, Sallust
und Terenz bilden sollel). Auch bittet ihn ein Mönch aus Benedictbeuern,
ihm die Glossen zum Macrobius und Virgils Georgica zuzuschicken 2).
Er Selbst haue eine Poetik, eine Lehre des Verskampfes (Regulas
Rhythmimachiae) gesohriebeni) und sich als lateinischer Dichter besonders
durch ein umfassenderes dramatisches Gedicht freilich nicht in antike;-
Form, sondern nach zeitgemässer WVeise in Reimversen ausgezeichnet. Dies
ist das Osterspiel von der Zukunft und der Vernichtung des
Antichrist (ludus de adventu et interitu Antichristiy), als dessen Ver-
fasser er wenigstens mit grösster Wahrscheinlichkeit bezeichnet wird. In-
dem das Spiel besonders auf die Darstellung grosser festlicher Aufzüge und
Kämpfe berechnet ist, geht die Handlung nur in einfachen, doch nicht selten
grossartigen Zügen vor sich und giebt zugleich mit wenig Strichen ein Bild
der Zeitverhältnisse. Es besteht aus drei Theilen; der erste dient zur Ver-
herrlichung des Kaiserthums (ein Umstand, der, wie sich unten näher er-
geben wird, auch für Werinher als Verfasser spricht). Zuerst treten auf die
symbolischen Figuren des Heidenthums, der jüdischen Synagoge nnd der
christlichen Kirche, nebst dem römischen Kaiser und den andern Königen.
Der Kaiser verlangt, dass alle Könige ihm unterthänig sein und Tribut
zahlen sollen. Aus den Worten seines Gesanges kann man ungefähr den
damaligen Begriil" des Kaiserthums kennen lernen; sie beginnen:
Sicut scripta tradunt historiographorum,
Totus mundus fuerat üscus Romauorum.
Hoc primorum strenuitas elaboravit,
Sed posterorum desidia dissipavit.
Sub his Imperii dilapsa est potestas,
Qnam nostrae repetit potentiae majestas.
Reges ergo singuli prius instituta
Nune Romano solvent Imperio tributa.
Sed quod in militia valet gens Francorum,
Armis imperio rex serviat eorurn.
Frankreich, welches sich weigert, wird in einer Schlacht überwunden
und muss den Vasalleneid leisten. Die andern Könige unterwerfen sich
ohne Kampf. Dann kommt der Antichrist, der die Völker durch Ueberre-
dung, Geschenke oder Gewalt die Deutschen aber, nachdem seine Ge-
schenke von ihnen verworfen und sein Heer von ihnen in der Schlacht be-
siegt worden, nur durch den Trug falscher Wunder an seine Göttlich-
3) Ebenda,
das Programm
1) Pez., VI., 1., 11.265. 2) Pez., VI., II., p. 55, n 93.
n. 92. 4) Herausgegeben bei Pez., IL, p. 185 ff. Vergleiche
von J. G. V. Eugelhardt über das Osterspiel, Erlangen, 1831.