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Italienische Studien.
gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ausbildete 1). Doch lindet man
hier nicht jenes Schwärmerische der Umbrier, das besonders bei Perugino
und seinen Schülern so stark hervortritt.
Das ausgezeichnetste unter den Gemälden des Zingaro in der Gallerie
des borbonischen Museums ist dasjenige, welches sich früher im Museum
von S. Maria 1a Nuova befand (Erste Abtheilung der Gallerie, No. 4). Es
ist eine heilige Jungfrau mit dem Kinde, Franciseus und Hieronymus zu
ihren Seiten. Sie steht auf einem Felsen, zu dessen Seiten rings kleine
Löcher sind, daraus (nach beliebter neapolitanischer Sitte) Flammen des
Fegefeuers und kleine Seelchen hervorkommen. Zwei Engel, im Style des
Perugino, halten eine Krone über ihrem Haupte. Ihr Untergewand ist
Gold. Beide Brüste sind eutblösst, indem sie aus runden Löchern des
Goldgewandes hervortreten; das Kind, das sie auf dem rechten Arme trägt,
spielt mit der einen, die andre drückt sie in reizend tizianischer Bewegung
mit der linken Hand. Die Carnation ist schön und licht gehalten. Ihr
Gesicht und ganzer Charakter ist reizend jungfräulich und überhaupt eine
eigenthürnliche Milde über das Gemälde ausgegossen.
Ein andres Bild, aus der Kirche S. Pietro ad Aram (II, N0. 254), stellt
die heilige Jungfrau auf dem Throne, auf der einen Seite den heiligen
Sebastian und Petrus, auf der andern den heiligen Paulus, Asprenus und
die heilige Candula dar; in einigen Nebentiguren soll der Künstler sein
und seiner geliebten Gattin Portrait angebracht haben. Dies Bild hat nicht
die Süssigkeit des vorigen, es ist ernster und strenger, aber ebenso tüchtig
und würdig gehalten. Es erinnerte mich in Etwas an die WVerke des hlarco
Palmezzauo von Forli.
Eine Ausgiessung des heiligen Geistes (I, N0. 9) ist nicht so bedeutend,
wie die beiden genannten, dient jedoch auch, um den Charakter des
Meisters, in den angegebenen allgemeineren Zügen, leichter bestimmen
zu können.
Andres von der Hand des Zingaro ist noch in den Kirchen vorhanden.
So sah ich im Dome, in der Kapelle der Familie Gallnceie (neben der
Kapelle des Tesoro), ein kleines Bild, eine sehr anmuthige Madonna, mit
dem Kinde vorstellend, welches mir ganz der Art dieses Künstlers zu ent-
sprechen schien. Es stand auf dem Altar, vor einem grossen, tlau modernen
Piingstbilde des Cavaliere Malinconico.
Ein sehr berühmtes Bild vom Zingaro befindet sich in S. Lorenzo
maggiore, in einer kleinen Kapelle, der des heiligen Antonius gegentiber.
Es stellt den heiligen Franciscus dar, welcher in der Mitte steht, Sehaamn
von München (einige mit Heiligenscheinen) knieend auf seinen Seiten. Er
reicht nach jeder Seite ein Buch mit den Regeln des Ordens. Zwei Engel
zu seinen Häupten halten Täfelchen, (larauf die Hauptpunkte des durch
ihn begründeten Instituts verzeichnet sind. Das Bild ist auf Goldgrund
gemalt; im Ganzen steif, gleichwohl von grossartiger Anordnung, mit
bedeutenden Linien in der Gewandung und mit treftlichen, charaktervollen
und schönen Köpfen.
1) Welche merkwürdigen Resultate würden sich für die Verhältnisse, beson-
ders der italienischen Schulen ergeben, wenn sich, in Folge kritischer Unter-
sunhnngen, die bisherige Zeitbestimmung im Allgemeinen als richtig erwiese!
Vor der Hand ist die Sache noch zu unsicher, als dass ich näher hierauf einzu-
Sßbßn wagen dürfte.