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Italien
lische
Studien.
Francesco di Maestro Simone, dem Sohne und Schüler eben jenes
Meisters, ist ein sehr vorzügliches Wandgemälde in der Kirche S. Chiara
erhalten, in der Kapelle, die sich gleich linker Hand neben dem l-Iaupt-.
eingange befindet. Es ist eine Madonna mit dem Kinde im weissen
Gewande, unter einem gothischen, grau in grau gemalten Tabernakel
sitzend, und darunter eine Darstellung der Dreieinigkeit. Die Madonna
ist eben so schön, als voll von jener alterthümlichen typischen Würde,
die in der Gesammt-Erscheinung so bedeutend wirkt. Auch dies Bild
ist, wie jenes von Giotto, reich mit Ex-votds behängt, denen es seine
Erhaltung verdankt.
Mit dem Schlusse des vierzehnten Jahrhunderts beginnt eine neue
Periode der neapolitanischen Malerei, die sich das folgende Jahrhundert
hindurch in ziemlich gleicher Weise fortbildet. Die meisten WVerke dieser
Zeit halten etwa die Mitte zwischen dem Charakter der umbrischen und
der oberdeutschen, zuweilen auch der niederländischen Schule, wie denn
namentlich direkte Einflüsse der letzteren im Einzelnen angenommen wer-
den dürften. Der Meister, welcher diese neue Periode einleitet, ist Colan-
tonio del Fiore, dessen frühste Arbeiten bereits in das Jahr 1374 fallen
sollen und der, nach der gewöhnlichen Angabe, im Jahr 1444 gestorben
ist. Ein wunderthätiges Christusbild, welches sich in der Kirche S. Lorenzo
maggiore befindet, wird von einigen ihm, von anderen dem Maestro Simone
zugeschrieben. Es ist ein Brustbild und schmückte früher d_ie Aussenseite
eines Hauses; auf den Schlag, den es von einem unglücklichen Spieler
erhielt, soll es Blut vergossen haben und ist demzufolge in solche Verehrung
gekommen, dass man ihm, als jenes Ielausabgebrochen ward, einen Altar
in der Kirche einräumte. So viel sich in seinem jetzigen Zustande darüber
sagen lässt, ist es ein schöner würdiger Christuskopf in der typischen
Weise. Sicherer ist ein anderes Wandbild, welches sich an dem Kirch-
lein S. Angele a Nilo, ausserhalb, in der Lünette über dem Hauptportal
befindet; es stellt die heilige Jungfrau dar, zu ihren Seiten den Erzengel
Michael und den heiligen Baculus, der ihr den knieeuden Donator empfiehlt;
es scheint tüchtig gemalt, doch ist es so verstaubt, dass sich auch hieraus
zur Zeit kein Urtheil über den Meister gewinnen liess.
Das Gemälde, welches dem Namen des Colantonio einen gtössercn
Ruf gegeben hat, ist der heilige Hieronymus, der in seiner Studirstube
sitzend, dem Löwen den Dorn aus dem Fusse zieht. Es befand sich früher
in der Sakristei der Kirche S. Lorenzo und wurde von da in die Gemälde-
gallerie des borbonischen Museums versetzt. Den Lesern wird dasselbe
aus dem flüchtigen Umriss bei d'Agincourt bekannt sein. Es ist ein Bild
vom ausgezeichnetsten Werthtr; die unordentlich durcheinander liegenden
Bücher der Bibliothek, der Schreibtisch mit allen Utensilien sind höchst
meisterhaft und mit van Eyckscher Vollendung gemalt. Ueberhaupt hat
das (in Oel gemalte) Bild soviel Niederländisches an sich, dass bereits die
Meinung aufgestellt worden ist, es sei nicht das Werk eines Neapolitaners,
sondern des Johann van Eyck selbst, eine Meinung, der es in der That
nicht an gewichtigen Gründen fehlt l). Doch dürfte hiegegen nicht ausser
Acht zu lassen sein, dass in der Gestalt des heiligen Hieronymus das
Fleisch derber, die Hände mit weniger Wahrheit und Gefühl, die Haare
1) Herr Hofrath Hin-t, im Museum, 1833,
Bild dem Hubert van Eyck zugeschrieben.)
das
163.
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