370
Italienische
Studien.
flauen Berichte Lanzi's, der von der älteren neapolitanischen Kunst nichts
Selbst gesehen hat, oder wenn man gar Vasari's hochfahrende ABIISSETIIDgGD
er allein will erst die Geister dieses Staates zu grossen Leistungen
geweckt haben als Maassstab nimmt.
Indess habe ich hier und dort in Neapel recht sehr Beachtenswerthes
von älterer Malerei gefunden, und ich glaube, dass eine Mittheilung dessen
den Lesern dieses Blattes nicht gerade unangenehm sein wird. Freilich
muss ich dabei bemerken, dass ich nur in der Weise eines Durchreiscnden
verfahren konnte und dass mir gewiss noch vieles Wichtige entgangen sein
wird; sodann, dass es noch an allen dokumentlich historischen Vorstudien
fehlt und ich einzig Dominicfs oft zweifelhafte Autorität vor mir hatte.
Doch kann das Folgende wenigstens dazu beitragen, einige Aufmerksamkeit
auch auf diese Region der Kunstgeschichte zu wenden, und vielleicht andre
Kunstforscher, denen ein längerer Aufenthalt in Neapel und eine Einsicht
in die etwa vorhandenen archivarischcn Dokumente vergönnt ist, zu gründ-
licher Bearbeitung des bisher Versäumten anzureizen.
Am Nordende der Stadt, unter dem Berge von Capodimonte, liegt das
alte Kirchlein S. Gennaro de, poveri, neben dem sich der Eingang in die
Katakomben beiindet. Dies sind nicht, wie die Katakomben Roms,
schmale Gange, durch die man sich mühsam hindurchwinden muss, sondern
mächtige unterirdische Hallen, die man in den Fels gehauen hat, mit vielen
Kapellohen und voller Gräber und Gebeine; eine fabelhafte Unterwelt, in
der die Fackeln und einfallende Tageslichtcr ein wundersames Spiel durch-
einander treiben. Hier und dort sieht man noch die Reste alter Wand-
malereien, so an dem Gewölbe der vordersten Kapelle einen riesigen Chri-
stus und mehrere Heilige im byzantinischen Style. An andern Stellen
gehören die Malereien einer noch früheren Periode christlicher Kunst an;
in diesen erkennt man, trotz der ziemlich rohen Ausführung, doch noch
entschieden die edlere Zeichnung und den pastosen Farbenauftrag der
Antike. Die Wiandmalereien der römischen Katakomben sind verschwun-
den und über die Eigenthümlichkeiten ihrer Ausführung geben uns die
Kupfer bei Bosio und seinen Nachfolgern keine Auskunft. Die Katakomben
Neapels dürften somit die einzigen Beispiele von Malereien eines so bedeu-
tenden Maassstabes aus den ersten Zeiten christlicher Kunstäusserung ent-
halten. Leider sind von denselben jedoch auch nur noch geringe Reste
vorhanden und auch diese gehen, durch die Feuchtigkeit des Ortes und
mehr noch durch den Unverstand der Führer, wclchc sie bei jedesmaliger
Besichtigung immer mehr mit_ ihren Fackeln einräuchern, ihrem baldigen
Untergange entgegen.
In spätere Jahrhunderte und zwar in die Zeit der treftlichsten Ent-
wickelung des byzantinischen Styles, gehört ein grosses Mosaik, welches
sich in einer Seitenkapelle von S. Restituta (der alten, mit dem Dome ver-
bundenen Basilika) befindet. Es ist eine Madonna mit dem Kinde, zwei
Heilige auf ihren Seiten, sehr grandios und würdig, gemässigt byzantinisch
und wohlerhalten. Man benennt das Bild als S. Maria del Princzpio, weil
man glaubt, dass dasselbe aus dem vierten Jahrhundert, und zwar von der
Hand eines gewissen Taurus, herrühre und eins der ersten Madonnenhilder
Vite de?
pittüriv
scultori
ed rzrchitetti
Napoletani.
Napoli,
1742.