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Studien.
Italienische
Vieles in den Eigenthümlichkeiten der ersteren wird erklären lassen. Lci
der haben genauere kunstgeschichtliche Forschungen bisher nur das mittlere
Italien zu ihrem Gegenstande gehabt; es ist zu wünschen und zu hoffen.
dass nun auch bald dieser Theil des nördlichen Italiens an die Reihe kom-
men möge. Mir war auf dieser Reise nicht Zeit und Musse gegönnt, um
spezielle Untersuchungen der Art anzustellen; doch habe ich hin und
wieder Gelegenheit gehabt, ältere Freskomalereien zu sehen, in denen ich
bereits jene Weichheit, Zartheit und Innigkeit, je nach den Epochen,
welchen sie angehörten, moditicirt, zu erkennen im Stande war. Statt
mehrerer nenne ich hier nur Bcispielweise eine schöne Wandmalerei auf
Goldgrund, welche sich über dem Eingangs zur Kapelle des heiligen Petrus
Martyr in S. Eustorgio zu Mailand befindet. Doch werden hieven wieder
mancherlei andre Eintlüsse zu sondern sein, wie deren namentlich von der
paduanischen Schule ausgegangen sein müssen. Hieher beziehe ich nament-
lich jenes Freskobild des Vincenzio Foppa in der Brera, Welches das
Martyrthum des heiligen Sebastian darstellt. In diesem herrscht das strengste
entschiedenste Studium der Form vor; die Zufälligkeiten der Natur sind
sorgfaltigst und bis zur Komik nachgebildet, während die tiefere Auffas-
sung des Seelenlebens minder sichtbar wird. Jener Bogenschütz, welcher
mit der köstlichst ernsthaften Grimasse blinzelnd auf den Heiligen zielt.
bezeichnet die Richtung des Künstlers.
Für einen Zögling jener alterthümlichen, weichen Richtung halte ich
hingegen den Ambrogio Borgognone, der den Köpfen seiner darge-
stellten Personen, vor Allem den Engelknaben, eine Zartheit, Innigkeit
und Unschuld aufzuprägen weiss, wie man wenig Beispiele der Art finden
dürfte. In den Formen des Körpers sind seine Gestalten freilich meist sehr
dürftig und ungeschickt. Du kennst die reizende Madonna mit dem Kinde
und den beiden anbetenden Engeln auf den Seiten im Berliner Museum.
Ein ähnliches Bild habe ich hier nicht gefunden; ein grosses Bild in der
Ambrosiana, eine Madonna auf dem Throne mit vielen Heiligen und Engel-
chen umgeben, hat nicht ganz diese Zartheit; es ist mehr Befangencs darin,
wenngleich der Geist des Meisters unverkennbar aus diesen schönen Köpfen
spricht. An einem Wandgemälde, welches man aussen an der Kapelle S.
Satire sieht (Madonna mit dem Kinde). erkennt man die volle Eigenthüm-
lichkeit und Liebenswürdigkeit des Ambrogio, obschon ich nicht behaupten
möchte, dass das Bild überall in seiner Integrität erhalten sei. In S. Ambro-
gio, an der Aussenmauer des Chores, nach dem Seitenschiff zu, ist ein
andres Wandgemälde des Borgognone, ein Christusleichnam zwichen zwei
Engeln, welches auffallende Verwandtschaft mit Bernardino Luini zeigt und
sich schon zu dessen freierer Formenauffassung hinneigt. Unfern von letz-
terem sind noch zwei schöne Fresken, ein krcuztragender Christus und die
drei Marieen, deren Meister ich nicht zu nennen weiss. Es ist wohl etwas
Verwandtes in dem tiefen, gemüthvollen Ausdrucke darin, doch deuten
hier die erhabenen grandiosen Gestalten wiederum mehr auf einen Einfluss
von der Seite des Leonardo; mich erinnerten diese Gestalten an die Werke
des Sodoma, dessen eigenthümliche Bildung ja ebenfalls durch Leonardo
begründet ist.
Auch Gaudenzio Ferrari verläugnet. nicht seinen Ursprung aus
jener älteren Schule, wenn gleich das Alterthümliche bei ihm bisiveilßll
zur Phantasterei ausartet und manches Aifektirte, manches Kalte, COIIIPO-
nirte (nach Art der römischen Schule) hinzutritt. Eine groSSC Anzahl von