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Italienische
Studien,
(Brustbild); und ein anmuthiges Madonnenköpfchen. Nicht minder interes-
sant sind ein Paar Zeichnungen. Die eine, grössere von diesen, ein Knie-
stück, stellt die Rückkehr des Tobias dar; es ist eine einfache, anmuthige
Composition und besonders der Engel schön und liebenswürdig. Die
Zeichnung ist wohl ausgeführt und würde sich trefflich zur Publikation
durch den Steindruck eignen. Die andere ist das Bild eines lesenden
Mädchens. Die Brera besitzt nur ein Oelgemälde des Künstlers, ein
Altarbild und von grösseren Dimensionen als die oben genannten: eine
Madonna auf dem Throne, zwei Heilige zu ihren Seiten, welche die knieen-
den Donatoren ihrer Obhut anempfehlen; auch hier dieselbe schlichte
Amnuth, welche sich in jenen YVcrken zeigte, hier jedoch noch etwas mehr
Alterthümliches, das an Ambrogio Borgognone erinnert, einen Künstler,
der trotz seiner Befangenheit in der Zeichnung der Formen. viel Ver-
wandtes mit dem Bernardino besitzt und zu dem letzterer gewiss in einer
besonderen Beziehung gestanden hat.
Bei weitem wichtiger sind dagegen die Freskomalereien, welche Ber-
nardino in Mailand und in benachbarten Orten ausgeführt hat. Diebedeu-
tendste Anzahl der Fresken, die aus aufgehobenen Mailänder Klöstern in
die Gallerie der Brera gebracht sind, rührt von ihm her. Diese schönen
und edlen Compositionen werden dir aus den Umrissen der Pinacoteca di
Milano bekannt sein; es sind einfach schöne und anmuthsvolle Gestalten,
die sich auf der einen Seite der Tiefe der umbrischen Meister, auf der
andern der Heiterkeit der Toscaner annähern. Unter vielen erwähne ich
nur beispielsweise einer Madonna mit dem Kinde, die wie ein stiller Leo-
nardo anzuschauen ist; eines schönen, kraftvollen Weibes (die Bedeutung
ist mir unbekannt), das aus einer Thür hervortritt und mit ausgestreektem
Arm zur Seite weist; vornehmlich aber einer thronenden Madonna mit
zweien Heiligen zu ihren Seiten und einem Engelknaben zu den Füssen,
vom J. 1521, und aus der Brera-Kirche hierher gebracht. Hier sieht man
schon, vornehmlich in der einen weiblichen Heiligen, den Adel und jene
höhere Schönheit, welche Bernardino allerdings wenn schon nicht
immer zu erreichen gewusst hat. In den meisten dieser in der Brera
beündlichen Fresken ist, wie auch häufig in den Oelbildern, noch eine
gewisse liebenswürdige Schwäche, eine gewisse jugendliche Befangeuheit
zu bemerken. Vielleicht, dass diese Werke noch in die Eutwiekelungszeit
des Künstlers gehören. Willst du ihn in seiner vollen Schönheit, in seiner
ganzen männlichen Kraft kennen lernen, so gehe in die Kirche des Mona-
stero Maggiore (S. Maurizio), an welcher dein Weg zur lllaria (16119 Grazie
dich vorüber führt! Es ist die Kirche eines Nonnenklosters, durch eine
Scheidewand in der Mitte in zwei 'l'heile gesondert und ganz und gar mit
Freskomalereien ausgefüllt. Von Bernardino Luini selbst rührt der grösste
Thcil der Fresken an dieser Mittelwand, so wie die in einer Seitenkapelle
der vordern Kirche her; die übrigen sind von seinen Schülern und andern
jüngeren Zeitgenossen ausgeführt. Hier sieht man die schönsten Gestalten
weiblicher Heiligen, welche ein fast raphaelisches Gepräge tragen, die mil-
desten und würdigsten Christusköpfe, die reizendsten Engelknaben. Alles,
von der braun in braun gemalten Brüstung über dem Fussboden an bis
zum Gewölbe, ist mit den herrlichsten Gestalten bedeckt und das Auge
kann sich an diesem Reichthum nicht satt sehen. Man weiss nicht, wie
man die verschwenderische Phantasie des Künstlers genug bewundern soll.
der selbst dem nur leicht hingetuschten Contur einen unaussprechlichtena