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VOH
Tegernsee
etc.
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Jener ersterwähnte Brief Werinhers ist ebenfalls noch aus der Zeit
Konrads. Er ist an den Prior und den Convent von Tegernsee gerichtet
und aus einem fremden Kloster geschrieben, was, wenn wir einen der fol-
genden Briefe damit verbinden, das Kloster St. Peter zu Salzburg gewesen
zu sein scheint. Werinher wurde daselbst, aus uns nicht näher bekannten
Gründen, zurückgehalten. Dieser Brief, in drangsalvoller Stimmung ge-
schrieben, lautet also:
uDGIH ehrwürdigen Prior lt. und dem hochverehrten Convente dcS
heiligen Quirinus entbietet der arme und geringe W. mit innigsten Ge-
beten so ergebenen, wie Schuldigen Gehorsam.
„Wenn es auch scheint, dass ihr, Väter und Herren, mein kleines Da-
sein wie eine Fehlgeburt, die aus dem Schoosse der Mutter ausgestossen
wird, schon seit langer Zeit aus den Eingeweiden eurer Frömmigkeit von
euch gethan habt; so wollet ihr dennoch sonder Zweifel erkennen, dass
mein Herz mit euch Allen, durch das unauflösliche Band einer natürlichen
und wahren Liebe, auf das Engste verbunden ist. Ich selbst erfreue mich
bis jetzt, durch Gottes Gnade, glücklicher Erfolge; aber dass der Bllck
eurer Erhabenhcit mir, wie es wohl billig wäre, in keiner Weise zugewandt
ist, schmerzt mich tief. Denn von mehreren Seiten ist mir berichtet wor-
den, dass ihr mich nicht in so freundlichem Andenken habt, wie es doch
Sein Sollte, gleich als ob ich die Aufträge, ja die Befehle und die weisen
Mahnungen eurer Gesandtschaft gering achtete und zu meiner Mutter, das
heisst: zur Tegernseeischen Kirche, der ich doch geweiht bin und der ich
es schuldig bin, dass ich lebe, durch deren Milch ich auch von der frühe-
sten Kindheit an erzogen bin, zurückzukehren mich 'weigerte. Wenn ihr
dies jedoch nach eurer Einsicht sorglicher betrachten wolltet, so werdet ihr
gegen mich vielleicht nicht also zürnende Gedanken behalten, da ich unter
allen Umständen eurer Erhabenheit Schüler bleibe und schon längst zu dem
Orte meines ersten Eintrittes in den klösterlichen Stand zurückgekehrt
wäre; aber ich kann es nicht. Denn wenn ich, die Flucht ergreifend, zu
euch zurückkehre, so werde ich unserm Ruhme beiderseits einen schänd-
lichen Makel anheften. Wenn ich aber durch mich selbst die Erlanbniss
zu erhalten versuche, so vermag ich in keiner Weise, wie ich durch die
Erfahrung gelernt habe, weder den Abt noch die Congregation zur Gewäh-
rung meines "Wunsches zu bewegen. Dies und Aehnliches könnt ihr durch
euren Bruder POL, den ihr allein zu mir sandtet (denn wenn ihr noch sonst
einen geschickt haben solltet, so weiss ich nichts davon), durch ihn, sage
ich, könnt ihr es vollständiger in Erfahrung bringen, falls ihr der brüder-
lichenLiebe, die ihr mir sonst erwiesen habt, noch gedenken wollt. Aber
weil ihr, wie ich hör-e, sagt, dass ihr so vieler Mühen für mich überdrüssig
seid, so wage ich es von eurer Heiligkeit, da ihr mich einen Unwürdigen
und Undankbaren scheltet, nichts mehr zu hoiien. Und doch halte ich es
eures Mitleidens nicht für unwürdig, für denjenigen thätig zu sein, dem nur
das {dem velle et {dem nolle am Herzen liegt und der, wenn euch Trauriges
zustossen sollte, was nicht geschehen wolle, abwesend mit dem Leibe, aber
bei euch mit dem Geiste, in Wahrheit mit euch leiden wird").
Werinher empfing hierauf das folgende Schreiben:
„Der Convent, welcher in Tegernsee in Christo versammelt ist, enthie-
tct dem Bruder W. seine brüderliche Liebe.