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Polychromie.
Antike
beipflichten könne. Was Wiegmann seitdem, aus andern, mir sehr trif-
tig erscheinenden Gründen, zur Erklärung dieser Farbenerscheinung beige-
bracht hat, ist von Semper ganz unberücksichtigt geblieben, von I-Iittortf,
So viel ich davon in seinem weitläufigen Werke wahrgenommen, nur sehr
obenhin besprochen werden. Hr. Semper aber bringt, um mich völlig zu
schlagen und meinem Begehren nach jenem Gutachten zu genügen, das
"Protocoll einer Sitzung des zur Prüfung der Elgin-marbles in Beziehung
auf daran befindliche Farbenspuren ernannten Ausschusses, gehalten im
britischen Museum, London den 1. Juni 1837" bei, das sich auch bei
Hittorff findet. Ich kann nur leider nicht entdecken, wo in demselben
abgesehen von allgemeinen Behauptungen die schlagenden Beweise
liegen sollen. Das Wichtigste dürfte ein dabei mitgetheiltes chemisches
Gutachten von Faraday sein. Hierin wird die Untersuchung der Farben-
spuren von architektonischen Details athenischer Gebäude, deren Vorhan-
densein an sich Niemand bezweifeln wird, vorgelegt. Dann die einer Far-
benspur (Kupferoxyd) vom nördlichen Flügel der Propyläen, von der aber
nicht gesagt wird, wo sie an diesem Flügel befindlich gewesen sei, und
die, ihrer Beschaflenheit gemäss, auch aus allerlei andern Gründen als
denen einer Bemalung herrühren könnte. Dann die einer Farbenspur von
den Säulen des Theseustempels. In Betreff dieser letzteren, der für
den vorliegenden Zweck allein wichtigen erklärt sich der berühmte
Chemiker für zweifelhaft und weist in ihr keine Farbe nach.
ist wohl nicht nöthig, hierüber noch ernsthaft weiter zu sprechen.
WVas haben wir nun aus der Betrachtung dieser beiden Schriften
gewonnen? Ich denke: eine zufriedenstellende Bestätigung der Ansicht,
dass die griechischen Tempel in ihrer Totalerscheinung nicht bunt waren
und dass sie eine, im Verhältniss zum Ganzen nur massige farbige Deko-
ration hatten.
Das Hittorfdsche Werk hat übrigens bereits zu anderweitiger Erörterung
der Angelegenheiten der Polychromie Veranlassung gegeben. Namentlich
ist dies unter den englischen Architekten der Fall gewesen. Das Märzheft
des diesjährigen Civil Engineer und Architecafs Journal theilt die umfas-
senden Verhandlungen mit, die hierüber in den jüngsten Versammlungen
des Institute of British Architects zu London stattgefunden haben. Man
hat die Sache hier unter den verschiedenartigsten Gesichtspunkten beleucl1-
tet; man ist ebenso auf ägyptische und altasiatische Sitte zurückgegangen,
wie man die Anwendbarkeit farbiger Ausstattung für die ästhetische Rich-
tung des heutigen Tages und des nordischen Klimas in Erwägung genom-
men hat; alle künstlerischen Richtungen, von dem begeisterten Verkünder
griechischer Buntfarbigkeit bis zum strengen Verläugner derselben, haben
dabei ihre Vertretung gefunden. Es sind zugleich aber auch einige sehr
schätzbare Mittheilungen über thatsächlich Vorhandenes gemacht worden;
und ich erlaube mir, diese aus der englischen Zeitschrift zu entnehmen.
Besonders interessant sind die Bemerkungen des Hrn. Penrose, von
dem wir bis jetzt die genausten Aufnahmen des Parthenon besitzen und
dessen Urtheil über dieathenischen Gebäude, soweit es irgend auf Beob-
achtungen von thatsächlich Vorhandenem ankommt, hiedurch zur Genüge
gewährleistet sein dürfte. Er spricht sich zunächst mit Entschiedenheit
dagegen aus, dass der Echinus des dorischen Säulenkapitäls (mit einem
Eierstabe oder ähnlichem Ornament) bemalt gewesen sei. Er habe, so sagt
81', am Parthenon alle best erhaltenen Kapitäle mit grosser Aufmerksamkeit