Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

l) er 
Seholasticus 
Wcrinher 
Wir wenden uns nunmehr zu dem Scholasticus Werinher (llL), 
dem eigentlich diese Abhandlung gewidmet ist. Sein Geschlecht, das Jahr 
und der Ort seiner Geburt sind nicht bekannt, sehr wenig von seinen 
Schicksalen. Aus einem seiner Briefe, die auf uns gekommen, ersehen wir. 
dass er schon seine früheste Bildung in Tegernsee erhalten hat 1). In einem 
andern Briefe, der an den Abt Konrad, Ruperts Vorgänger, also noch. in 
Werinhers Jugend geschrieben ist, beklagt er sich darüber, dass er die 
Gunst des Abtes verloren habe, und" bemüht sich, dieselbe wieder zu er- 
langen. Der Brief ist, gewiss nicht ohne Absicht, in einem möglichst ele- 
ganten lateinischen Style nach der Weise jener Zeit, in einem eigenthüm- 
liehen, zum Theil durch Reime verbundenen Parallelismus der Sätze und 
mit wirklichen Versen am Schlusse geschrieben. Wir geben die Form in 
der folgendenllebertragung des Briefes thunlichst wieder:  
„Seinem Herrn und Vater Konrad verheisst W. die Wachsamkeit täg- 
lichen Gebetes und die Beständigkeit treuen Dienstes. 
„S0 oft, mein Herr, ich es mir zurückrufe, wie ihr bisher mich truget 
umschlungen von den Banden eurer Väterlichkeit, so oft fühlt mein Geist 
sich erfüllt von übergrosser Freudigkeit. Denn häufig muss ich es bei mir 
erwägen, wie ihr mich von Kindheit an ernährtet im Schoosse des Erbar- 
mens und der Gnade, wie ihr den Genährten stärktet mit der Milch der 
Liebe und dem heilbringenden Brode des Glaubens, den Gestärkten auch 
auf alle Weise unterwieset nach dem Vorbilde eures Umganges. Daher kann 
ich es nicht denken, wo oder wie ich eurer Ehrwürdigkeit Augen hätte 
mögen kränken. Und was ihr einst knüpftet mit den Banden solcher 
Gnade,  nun, nach gelösten, ja zerrissenen Banden, stiesset ihr es auf 
öde Pfade. Dies aber sage ich darum zumeist, weil, als ich euch am 
Nächsten stand, ich nach abgelegter Ruthe den Stab der Züchtigung nicht 
schwerer empfing, als ich jetzt empfangen will das gezückte Schwert und 
den Pfeil, der auf mich sich kehrt. Gott ist mein Zeuge, dass ich ihn 
durch keine neue Schuld beleidigt habe. Ich weiss und bin gewiss: ehe 
mischen sich Himmel und Erde, eh' eure einstige Huld gegen mich gänz- 
lieh gewandelt werde. Gewiss, mein Herr, ihr seid von eurer Ehrwürdig- 
keit Sitz ein wenig herabgestiegen und lieht euer Ohr eines Schmeichlers 
Lügen; aber dass er ausgestossen werde von euch, bitte ich weinend, 
kniefallend zu Gott, auf dass, wer es sei, der mich gedacht in Leid zu 
setzen, es erkenne: eurer Huld Siegel sei nimmer zu verletzen. Denn 
wie wenig ich selbst vermag: eure Gnade bringt wieder den Tag, da 
sich zerstreut die Wolke der Traurigkeit und ich erleuchtet werde vom 
Strahle der Fröhlichkeit. Ich schicke euch diesen Gesandten, einen be- 
scheidenen und gewandten, dass er gewinne eure Güte und vor eurem 
Zorn mich behüte: 
Du von edelm Geschluchte, von schimmernden Steinen der ächte, 
Du 361" Sprachen Meister, ein Licht der weisesten Geister, 
Hehr vor Allen gestaltet, der aller Tugenden waltet.  
Was noch soll ich dir sagen? was zagen vor dir und klagen (W 2) 
Pez. 
Pez. 
136.
	        
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