Nachträge.
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Schmuck ist, darauf hinaus, diesen Arbeiten eine malerische Wirkung und
einen Ausdruck inneren Seelenlebens zu geben, welches Beides ganz ausser-
halb der Absichten der antiken Kunst liegt. Vorzugsweise kommen hiebei
jene bemalten Schnitzaltäre in Betracht, die namentlich in der deutschen
Kunst eine so schätzbare Stufe einnehmen.. Diese Arbeiten sind häufig von
vornherein in den Werkstätten der Maler gefertigt; ihre geschnitzten Dar-
stellungen entsprechen häufig den nur gemalten, die auf den Flügeln der
Altar-werke enthalten zu sein pflegen, und sind zumeist ganz nach den
malerischen Bedingnissen der letzteren eomponirt; um das innerlich Seelen-
hafie, wie dies mir die Mittel der Malerei gestatten, zum Ausdruck zu
bringen, ist dann eine Technik angewandt, welche die speziell bildnerische
Vollendung erheblich in Frage stellt. Das in Holz geschnitzte Werk ist
nämlich mit einem Kreidegrund zur angemessenen Aufnahme der Farbe
überzogen, wodurch die Form abgestumpft und oft die Nothwendigkeit her-
beigeführt wird, in den grösseren Tiefen wieder mit dem Pinsel, durch
Andeutung der Schatten, nachzuhclfen. S0 sehr diese Arbeiten, oder doch
die besseren von ihnen, in dem ganzen Lebenskreise, dem sie angehören,
ihre Rechtfertigung finden, so schöne und grossartige künstlerische Motive
sie im Einzelnen enthalten, eine so eigenthümliche Tiefe des geistigen Aus-
druckes sie nicht ganz selten besitzen, so erscheint an ihnen doch, geht
man näher auf ihr künstlerisches Wesen ein, etwas Zwitterhaftes in der
Behandlung. Sie gehören eben nur halb der Sculptur und halb der Malerei
an; sie zeigen eine Vermischung heterogener Kunstmittel, über deren "Wider-
spruch wir nur liinweggehoben werden, wenn sich in ihnen die volle
Naivetät des kindlichen Gefühles ausspricht. Uebrigens zeigen aber auch
diese Werke in der glänzenden Ausstattung an Goldgewändern, Goldliaaren
und goldnem Schmuck, womit sie versehen sind, dass eine gemeine Natur-
nachahmung bei ihnen ebenso von vornherein ausserhalb der künstlerischen
Absicht lag.
Wie bedenklich eine eigentlich illnsorische Färbung der Sculpturwerke
sei, habe ich am Deutlichsten vor den grossen Statuengruppen empfunden,
welche in den Kreuzarmen der Kirche S. Sepolcro zu Mailand aufgestellt
sind. Sie stellen die Passion Christi dar und sind ganz trefflich, in der
energischen Kraft der italienischen Kunst, gearbeitet; aber die natürlichen
Farben setzen diese lebensgrossen Gestalten sofort auf den Boden der
gemeinen Wirklichkeit, und so machen sie den gespensterhaften Ein-
druck eines starr gewordenen Lebens, denselben Eindruck, der uns die
Sammlungen der Wachsfiguren so unheimlich macht, was die EIfBIGI für
die Polychromie nur den künstlerischen Mängeln der letzteren zuschrei-
ben wollten.
Aehnliches würde bei den Sculpturen der griechischen Kunst eintreten.
Und haben die Schnitzliguren in den deutschen Altarschreinen im bild-
nerisclien Sinne nur erst ihre halbe Vollendung ulfd müssen sie die andre
Hälfte bei den Mitteln der Malerei suchen, besteht ihre ob auch bedingte
N Vollendung in dem Zusammenwirken beider Gattungen, so ist dies eben
bei den griechischen Sculpturwcrken in keiner Weise der Fall. Diese sind
bildnerisclyfertig und abgeschlossen, und es liegt ein anderweitiges Kunst-
bedül-fnjss von Bedeutung in ihnen nieht_vor. Nur als ein Schmückendes
S aber freilich, soweit uns nur ein Ilrtheil verstattet ist, nach entschieden
künstlerischen Gesetzen und Bedingnissen tritt das farbige Element bei
lllllen hinzu.